2009-02-28

Richard Strauss Der Rosenkavalier (1911)

Source for libretto: http://www.opera-guide.ch/opera.php?id=353

Richard Strauss


Der Rosenkavalier

The Knight of the Rose


(1911)

Opus 59

Komödie für Musik in drei Aufzügen

Libretto by Hugo von Hofmannsthal


Der Rosenkavalier

Komödie für Musik in drei Aufzügen
Libretto

Hugo von Hofmannsthal
Uraufführung

26. Januar 1911, Dresden (Hofoper)
Besetzung

Die FELDMARSCHALLIN FÜRSTIN WERDENBERG (Sopran)
Der BARON OCHS VON LERCHENAU (Bass)
OCTAVIAN, genannt Quinquin, ein junger Herr aus grossem Haus (Mezzosopran)
HERR VON FANINAL, ein reicher Neugeadelter (Bariton)
SOPHIE, seine Tochter (Sopran)
JUNGFER MARIANNE LEITMETZERIN, die Duenna (Sopran)
VALZACCHI, ein Intrigant (Tenor)
ANNINA, seine Begleiterin (Alt)
Ein POLIZEIKOMMISSAR (Bass)
Der HAUSHOFMEISTER DER FELDMARSCHALLIN (Tenor)
Der HAUSHOFMEISTER BEI FANINAL (Tenor)
Ein NOTAR (Bass)
Ein WIRT (Tenor)
Ein SÄNGER (Tenor)
Ein GELEHRTER (stumme Rolle)
Ein FLÖTIST (stumme Rolle)
Ein FRISEUR (stumme Rolle)
Dessen GEHILFE (stumme Rolle)
Eine ADELIGE WITWE (stumme Rolle)
Drei ADELIGE WAISEN (Sopran; Mezzosopran; Alt)
Eine MODISTIN (Sopran)
Ein TIERHÄNDLER (Tenor)
Vier LAKAIEN DER MARSCHALLIN (2 Tenor; 2 Bass)
Vier KELLNER (Tenor; 3 Bass)
Ein KLEINER NEGER (stumme Rolle)
Lakaien; Lauffer; Haiducken; Küchenpersonal;
Gäste; Musikanten; Zwei Wächter; Vier kleine Kinder;
Verschiedene verdächtige Gestalten (stumme Rollen)
Ort

Wien
Zeit

In den ersten Jahren der Regierung Maria Theresias, zwischen 1740 und 1745

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Richard Strauss Der Rosenkavalier (The Knight of the Rose) (1911)
@Wikipedia, @IMSLP, my YouTube playlist, playlist for the great 1969 Solti/VPO/Crespin/Minton/Donath/Jungwirth version, full cast list
Performance and video information
Conductor Herbert von Karajan
Orchestra Vienna Philharmonic Orchestra

Salzburg Mozarteum Orchestra
Director Paul Czinner
Stage Production: Rudolf Hartmann
Chorus Vienna State Opera Chorus (and Ballet)
Venue Salzburg Festival
Performance date 1960
Subtitles
Performance duration 3:12:05
Video type 4:3 480p
YouTube uploader Herur22
YouTube upload date 2012-11-05
YouTube deletion date
Dramatis Personæ
Die FELDMARSCHALLIN FÜRSTIN WERDENBERG (soprano) Elisabeth Schwarzkopf
Der BARON OCHS VON LERCHENAU (bass) Otto Edelmann
OCTAVIAN, genannt Quinquin, ein junger Herr aus grossem Haus (mezzo-soprano) Sena Jurinac
HERR VON FANINAL, ein reicher Neugeadelter (baritone) Erich Kunz
SOPHIE, seine Tochter (soprano) Anneliese Rothenberger
JUNGFER MARIANNE LEITMETZERIN, die Duenna (soprano) Judith Hellwig
VALZACCHI, ein Intrigant (tenor) Renato Ercolani
ANNINA, seine Begleiterin (alto) Hilde Rossl-Majdan
Italian Singer Giuseppe Zampieri
Ein Polizeikommissär Alois Pernerstorfer
Der Haushofmeister der Marschallin Erisch Majku
Der Haushofmeister bei Faninal Siegfried Frese
Ein Notar Josef Knapp
Ein Wirt Fritz Sperlbauer
Ein Friseur Hans Kres
Libretto and links
# German original
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English translation
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Karajan
1957
Personen:
Die FELDMARSCHALLIN FÜRSTIN WERDENBERG (Sopran)
Der BARON OCHS VON LERCHENAU (Bass)
OCTAVIAN, genannt Quinquin, ein junger Herr aus grossem Haus (Mezzosopran)
HERR VON FANINAL, ein reicher Neugeadelter (Bariton)
SOPHIE, seine Tochter (Sopran)
JUNGFER MARIANNE LEITMETZERIN, die Duenna (Sopran)
VALZACCHI, ein Intrigant (Tenor)
ANNINA, seine Begleiterin (Alt)
Ein POLIZEIKOMMISSAR (Bass)
Der HAUSHOFMEISTER DER FELDMARSCHALLIN (Tenor)
Der HAUSHOFMEISTER BEI FANINAL (Tenor)
Ein NOTAR (Bass)
Ein WIRT (Tenor)
Ein SÄNGER (Tenor)
Ein GELEHRTER (stumme Rolle)
Ein FLÖTIST (stumme Rolle)
Ein FRISEUR (stumme Rolle)
Dessen GEHILFE (stumme Rolle)
Eine ADELIGE WITWE (stumme Rolle)
Drei ADELIGE WAISEN (Sopran; Mezzosopran; Alt)
Eine MODISTIN (Sopran)
Ein TIERHÄNDLER (Tenor)
Vier LAKAIEN DER MARSCHALLIN (2 Tenor; 2 Bass)
Vier KELLNER (Tenor; 3 Bass)
Ein KLEINER NEGER (stumme Rolle)

Lakaien; Lauffer; Haiducken; Küchenpersonal;
Gäste; Musikanten; Zwei Wächter; Vier kleine Kinder;
Verschiedene verdächtige Gestalten (stumme Rollen)

Die Werke von Richard Strauss geniessen bis auf weiteres den Schutz des Copyrights
© 1916 Adolph Fürstner, Berlin

Die nachfolgende Wiedergabe des Librettos geschieht mit freundlicher Genehmigung
© 1987 Fürstner Musikverlag GmbH, Mainz
(für die Gebiete Deutschland, Danzig, Italien, Portugal und die Nachfolgestaaten der UdSSR ausser Estland, Lettland und Litauen)
for all other countries: © 1943 Boosey & Hawkes Music Publishers Ltd.
ERSTER AUFZUG
Das Schlafzimmer der Feldmarschallin.
Links im Alkoven das grosse zeltförmige Himmelbett.
Neben dem Bett ein dreiteiliger chinesischer Wandschirm hinter dem Kleider liegen.
Ferner ein kleines Tischchen und ein paar Sitzmöbel.
Auf einem kleinen Sofa links liegt ein Degen in der Scheide.
Rechts grosse Flügeltüren in das Vorzimmer.
In der Mitte, kaum sichtbar, kleine Türe in die Wand eingelassen.
Sonst keine Türen.
Zwischen dem Alkoven und der kleinen Türe
steht ein Frisiertisch und ein paar Armsessel an der Wand.
Die Vorhänge des Bettes sind zurückgeschlagen.
Durch das halbgeöffnete Fenster strömt die helle Morgensonne herein.
Man hört im Garten die Vöglein singen.
Octavian kniet auf einem Schemel vor dem Bett
und hält die Feldmarschallin, die im Bett liegt, halb umschlungen.
Man sieht ihr Gesicht nicht, sondern nur ihre sehr schöne Hand
und den Arm, von dem das Spitzenhemd abfällt.
The bedroom of the Princess.
In the alcove to the left the large, tent-shaped fourposter.
Next the bed a threefold screen, behind which clothes are scattered to the ground.
A small table, chairs, etc.
To the right, folding doors leading to the antechamber.
In the centre, scarcely visible, a little door let into the wall.
No other doors.
Between the alcove and the small door,
a toilet table and some armchairs against the wall.
The curtains of the bed are half drawn.
Through the half-open window the morning sun streams in.
From the garden sounds the song of birds.
Octavian kneels on a footstool,
half embracing the Princess who is reclining in the bed.
Her face is hidden, only her beautiful hand is seen,
and her arm peeping from out the sleeve of her night gown of lace.
OCTAVIAN
schwärmerisch
Wie du warst! Wie du bist!
Das weiss niemand, das ahnt keiner!


MARSCHALLIN
richtet sich in den Kissen auf
Beklagt Er sich über das, Quinquin?
Möcht' Er, dass viele das wüssten?


OCTAVIAN
feurig
Engel! Nein!
Selig bin ich, dass ich der Einzige bin, der weiss, wie du bist!
Keiner ahnt es! Niemand weiss es!
Du, du, du! -
Was heisst das »Du«? Was »du und ich«?
Hat denn das einen Sinn?
Das sind Worte, blosse Worte, nicht?
Du, sag'!
Aber dennoch:
Es ist etwas in ihnen; ein Schwindeln, ein Ziehen, ein Sehnen und Drängen, ein Schmachten und Brennen:
Wie jetzt meine Hand zu deiner Hand kommt, das Zudirwollen, das Dichumklammern,
das bin ich, das will zu dir;
aber das Ich vergeht in dem Du ...
Ich bin dein Bub', aber wenn mir dann Hören und Sehen vergeht -
wo ist dann dein Bub?


MARSCHALLIN
leise
Du bist mein Bub', du bist mein Schatz!
sehr innig
Ich hab' dich lieb!
Octavian (rapturously) :
All thy soul, all thy heart —
Their perfections who can measure?

Princess:
Why grieve so sorely at that, Mignon,
Should they be known on the housetops?

Octavian (passionately) :

Angel ! No ! Blessed am I
That it is I, I alone who know their secrets.
Who can measure such perfection?
Thou, thou, thou! What means that "Thou?"
That "Thou and I,"
Have they meaning or sense? —
They are merely empty nothings. What? O say.
Yet have they something.
Yea, a something is in them
That craveth, that urgeth, that striveth,
That fainteth and yearneth.
To thine my hand thus its way hath found:
And this quest for thee, and this clinging —
That am I, who seek thee out
Mingling with thee and lost in that "Thou."
I am thy Boy ; but when reft of all senses I lie in thy arms
Where then is thy Boy?

Princess :
Octavian
Thou art my Boy. Thou art my love.
I love thee so.
Credits-Karajan-1957

Synopsis-I-Karajan-1957
(no music, text only)


Act-I-curtain-Karajan-1957
Karajan_enters-Karajan-1957
Overture-Karajan-1957

Curtain_opens-Karajan-1957
Octavian/Wie-Karajan-1957
ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
OCTAVIAN
fährt auf
Warum ist Tag? Ich will nicht den Tag!
Für was ist der Tag! Da haben dich alle! Finster soll sein!


Er stürzt ans Fenster, schliesst es und zieht die Vorhänge zu.
Man hört von fern ein leises Klingeln.
Die Marschallin lacht leise.

OCTAVIAN
Lachst du mich aus?

MARSCHALLIN
zärtlich
Lach' ich dich aus?

OCTAVIAN
Engel!

MARSCHALLIN
Schatz du, mein junger Schatz.
wieder ein feines Klingeln
Horch!


OCTAVIAN
Ich will nicht.

MARSCHALLIN
Still, pass auf!

OCTAVIAN
Ich will nichts hören! Was wird's denn sein?
das Klingeln näher
Sind's leicht Laufer mit Briefen und Komplimenten?
Vom Saurau, vom Hartig, vom portugieser Envoyé?
Hier kommt mir keiner herein!
Hier bin ich der Herr!
(Octavian/Warum?-Karajan-1957)
Octavian/Warum?-Karajan-1957
ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
Die kleine Tür in der Mitte geht auf und ein kleiner Neger in Gelb,
behängt mit silbernen Schellen,
ein Präsentierbrett mit der Schokolade tragend,
trippelt über die Schwelle.
Die Tür hinter dem Neger wird von unsichtbaren Händen geschlossen.

MARSCHALLIN
Schnell, da versteck' Er sich! Das Frühstück ist's.

OCTAVIAN
gleitet hinter den Schirm

MARSCHALLIN
Schmeiss' Er doch den Degen hinters Bett.

OCTAVIAN
fährt nach dem Degen und versteckt ihn

MARSCHALLIN
legt sich zurück, nachdem sie die Vorhänge zugezogen hat

DER KLEINE NEGER
stellt das Servierbrett auf das kleine Tischchen, schiebt dieses nach vorne, rückt das Sofa hinzu, verneigt sich dann tief gegen das Bett, die kleinen Arme über die Brust gekreuzt. Dann tanzt er zierlich nach rückwärts, immer das Gesicht dem Bette zugewandt. An der Tür verneigt er sich nochmals und verschwindet.

MARSCHALLIN
tritt zwischen den Bettvorhängen hervor. Sie hat einen leichten mit Pelz verbrämten Mantel umgeschlagen.

OCTAVIAN
kommt zwischen der Mauer und dem Wandschirm heraus
Marschallin/Schnell-Karajan-1957 ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
MARSCHALLIN
Er Katzenkopf, Er Unvorsichtiger!
Lässt man in einer Dame Schlafzimmer seinen Degen herumliegen?
Hat Er keine besseren Gepflogenheiten?


OCTAVIAN
Wenn Ihr zu dumm ist, wie ich mich benehm',
und wenn Ihr abgeht, dass ich kein Geübter in solchen Sachen bin,
dann weiss ich überhaupt nicht, was Sie an mir hat!


MARSCHALLIN
zärtlich, auf dem Sofa
Philosophier' Er nicht, Herr Schatz, und komm Er her.
jetzt wird gefrühstückt.
Jedes Ding hat seine Zeit.


OCTAVIAN
setzt sich dicht neben sie. Sie frühstücken sehr zärtlich. Octavian legt sein Gesicht auf ihr Knie. Sie streichelt sein Haar. Er blickt zu ihr auf. Leise.
Marie Theres'!

MARSCHALLIN
Octavian!

OCTAVIAN
Bichette!

MARSCHALLIN
Quinquin!

OCTAVIAN
Mein Schatz!

MARSCHALLIN
Mein Bub'!
Sie frühstücken weiter.


OCTAVIAN
lustig
Der Feldmarschall sitzt im krowatischen Wald und jagt auf Bären und Luchsen.
Und ich, ich sitz' hier, ich junges Blut, und jag' auf was?
ausbrechend
Ich hab' ein Glück, ich hab' ein Glück!


MARSCHALLIN
indem ein Schatten über ihr Gesicht fliegt
Lass Er den Feldmarschall in Ruh'!.
Mir hat von ihm geträumt.


OCTAVIAN
Heut nacht hat dir von ihm geträumt? Heut nacht?

MARSCHALLIN
Ich schaff' mir meine Träume nicht an.

OCTAVIAN
Heute nacht hat dir von deinem Mann geträumt? Heute nacht?

MARSCHALLIN
Mach' Er nicht solche Augen.
Ich kann nichts dafür.
Er war einmal wieder zu Haus.


OCTAVIAN
leise
Der Feldmarschall?

MARSCHALLIN
Es war ein Lärm im Hof von Pferd' und Leut' und er war da,
vor Schreck war ich auf einmal wach,
nein, schau' nur, schau' nur,
wie ich kindisch bin:
ich hör' noch immer den Rumor im Hof.
Ich bring's nicht aus dem Ohr.
Hörst du leicht auch was?


OCTAVIAN
Ja freilich hör' ich was,
aber muss es denn dein Mann sein!?
Denk' dir doch, wo der ist:
im Raitzenland, noch hinterwärts von Esseg.


MARSCHALLIN
Ist das sicher sehr weit?
Na, dann wird's halt was anders sein.
Dann is ja gut.


OCTAVIAN
Du schaust so ängstlich drein, Theres'.

MARSCHALLIN
Weiss Er, Quinquin - wenn es auch weit ist -
der Feldmarschall ist halt sehr geschwind.
Einmal -
sie stockt


OCTAVIAN
Was war einmal?

MARSCHALLIN
zerstreut, horcht

OCTAVIAN
eifersüchtig
Was war einmal? Was war einmal? Bichette! Bichette! Was war einmal?

MARSCHALLIN
Ach sei Er gut, Er muss nicht alles wissen.

OCTAVIAN
So spielt Sie sich mit mir!
wirft sich verzweifelt aufs Sofa
Ich bin ein unglücklicher Mensch!


MARSCHALLIN
Jetzt trotz' Er nicht. Jetzt gilt's:
horcht
es ist der Feldmarschall.
Wenn es ein Fremder wär', so wär' der Lärm da draussen in meinem Vorzimmer.
Es muss mein Mann sein, der durch die Garderob' herein will und mit den Lakaien disputiert.
Quinquin, es ist mein Mann!
Marschallin/Katzenkopf-Karajan-1957 ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
OCTAVIAN
fährt nach seinem Degen und läuft gegen rechts

MARSCHALLIN
Nicht dort, dort ist das Vorzimmer.
Da sitzen meine Lieferanten und ein halbes Dutzend Lakaien.
Da!


OCTAVIAN
läuft hinüber zur kleinen Türe

MARSCHALLIN
Zu spät!
Sie sind schon in der Garderob'!
jetzt bleibt nur eins!
Versteck' Er sich!
nach einer kurzen Pause der Ratlosigkeit
Dort!


OCTAVIAN
Ich spring' ihm in den Weg! Ich bleib' bei dir.

MARSCHALLIN
Dort hinters Bett! Dort in die Vorhäng'.
Und rühr' dich nicht.


OCTAVIAN
zögernd
Wenn er mich dort erwischt, was wird aus dir, Theres'?

MARSCHALLIN
flehend
Versteck' Er sich, mein Schatz.

OCTAVIAN
beim Wandschirm
Theres!
Marschallin/Nicht-Karajan-1957 ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
MARSCHALLIN
ungeduldig aufstampfend
Sei Er ganz still!
mit blitzenden Augen
Das möcht' ich sehn, ob einer sich dort hinübertraut, wenn ich hier steh'.
Ich bin kein napolitanscher General: wo ich steh', steh' ich.
sie geht energisch gegen die kleine Tür los und horcht
Sind brave Kerl'n, meine Lakaien, wollen ihn nicht herein lassen, sagen, dass ich schlaf'.
Sehr brave Kerl'n!
der Lärm in der Garderobe wird immer grösser, aufhorchend
Die Stimm'! Das ist ja gar nicht die Stimm' vom Feldmarschall!
Sie sagen »Herr Baron« zu ihm! Das ist ein Fremder.
ustig
Quinquin, es ist ein Besuch.
sie lacht
Fahr' Er schnell in Seine Kleider, aber bleib' Er versteckt, dass die Lakaien Ihn nicht seh'n.
Die blöde, grosse Stimm' müsste ich doch kennen.
Wer ist denn das? Herrgott, das ist ja der Ochs.
Das ist mein Vetter, der Lerchenau, der Ochs aus Lerchenau.
Was will denn der? Jesus Maria!
sie muss lachen
Quinquin, hört Er, Quinquin, erinnert Er sich nicht?
Vor fünf oder sechs Tagen - den Brief.
Wir sind im Wagen gesessen und einen Brief haben sie mir an den Wagenschlag gebracht.
Das war der Brief vom Ochs.
Und ich hab' keine Ahnung, was drin gestanden ist.
lacht
Daran ist Er allein schuldig, Quinquin!
Marschallin/Sei_Er-Karajan-1957 ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
STIMME DES HAUSHOFMEISTERS
draussen gesprochen
Belieben Euer Gnaden in der Galerie zu warten!

STIMME DES BARONS
draussen gesprochen
Wo hat Er Seine Manieren gelernt?
Der Baron Lerchenau antichambriert nicht.

MARSCHALLIN
Quinquin, was treibt Er denn?
Wo steckt Er denn?


OCTAVIAN
in einem Frauenrock und Jäckchen,
das Haar mit einem Schnupftuch und einem Bande wie in einem Häubchen,
tritt hervor und knickst
Befehl'n fürstli' Gnad'n,
i bin halt noch nit recht lang in fürstli'n Dienst.


MARSCHALLIN
Du, Schatz!
Und nicht einmal mehr als ein Busserl kann ich dir geben.
Küsst ihn schnell. Neuer Lärm draussen.
Er bricht mir ja die Tür ein, der Herr Vetter.
Mach' Er, dass Er hinauskomm'.
Schlich Er frech durch die Lakaien durch.
Er ist ein blitzgescheiter Lump!
Und komm' Er wieder, Schatz, aber in Mannskleidern und durch die vordre Tür, wenn's Ihm beliebt.
STIMME/Belieben-Karajan-1957 ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
Setzt sich mit dem Rücken gegen die Tür
und beginnt ihre Schokolade zu trinken.
Octavian geht schnell gegen die kleine Tür und will hinaus.
Im gleichen Augenblick wird die Tür aufgerissen,
und Baron Ochs, den die Lakaien vergeblich abzuhalten suchen, tritt ein.
Octavian, der mit gesenktem Kopf rasch entwischen wollte, stösst mit ihm zusammen.
Dann drückt er sich verlegen an die Wand links von der Tür.
Drei Lakaien sind gleichzeitig mit dem Baron eingetreten, stehen ratlos.

BARON
mit Grandezza zu den Lakaien
Selbstverständlich empfängt mich Ihro Gnaden.
Er geht nach vorn,
die Lakaien zu seiner Linken suchen ihm den Weg zu vertreten.
Zu Octavian mit Interesse.
Pardon, mein hübsches Kind!

OCTAVIAN
dreht sich verlegen gegen die Wand

BARON
mit Grazie und Herablassung
Ich sag': Pardon, mein hübsches Kind.

MARSCHALLIN
sieht über die Schulter, steht dann auf und kommt dem Baron entgegen

BARON
galant zu Octavian
Ich hab' Ihr doch nicht ernstlich wehgetan?

LAKAIEN
zupfen den Baron, leise
Ihre fürstlichen Gnaden!

BARON
macht die französische Reverenz mit zwei Wiederholungen

MARSCHALLIN
Euer Liebden sehen vortrefflich aus.

BARON
verneigt sich nochmals, dann zu den Lakaien
Sieht Er jetzt wohl, dass Ihre Gnaden entzückt ist,
mich zu sehn.

Auf die Marschallin zu, mit weltmännischer Leichtigkeit,
indem er ihr die Hand reicht und sie vorführt.
Und wie sollten Euer Gnaden nicht!
Was tut die frühe Stunde unter Personen von Stand?
Hab' ich nicht seinerzeit wahrhaftig Tag für Tag
unsrer Fürstin Brioche meine Aufwartung gemacht,
da sie im Bad gesessen ist,
mit nichts als einem kleinen Wandschirm zwischen ihr und mir.
Ich muss mich wundern,
zornig umschauend
wenn Euer Gnaden Livree -


OCTAVIAN
ist an der Wand gegen den Alkoven hin geschlichen,
macht sich möglichst unsichtbar beim Bett zu schaffen

MARSCHALLIN
Verzeihen Sie!
Man hat sich betragen, wie es befohlen war.
Ich hatte diesen Morgen die Migräne.


Auf einen Wink der Marschallin haben die Lakaien ein kleines Sofa
und einen Armstuhl mehr nach vorn gebracht und sind abgegangen.

BARON
sieht öfters nach rückwärts

MARSCHALLIN
setzt sich auf das Sofa, nachdem sie dem Baron den Platz auf dem Armstuhl angeboten hat

BARON
versucht sich zu setzen, äusserst okkupiert von der Anwesenheit der hübschen Kammerzofe. Für sich.
Ein hübsches Ding! Ein gutes saub'res Kinderl!

MARSCHALLIN
aufstehend, ihm zeremoniös aufs neue seinen Platz anbietend

BARON
setzt sich zögernd und bemüht sich, der hübschen Zofe nicht völlig den Rücken zu kehren

MARSCHALLIN
Ich bin auch jetzt noch nicht ganz wohl.
Der Herr Vetter wird darum vielleicht die Gnade haben -


BARON
Natürlich.
Er dreht sich um, um Octavian zu sehen

MARSCHALLIN
Meine Kammerzofe, ein junges Ding vom Lande.
Ich muss fürchten, sie inkommodiert Euer Liebden.


BARON
Ganz allerliebst! Wie? Nicht im geringsten! Mich? Im Gegenteil!
er winkt Octavian mit der Hand, dann zur Marschallin
Euer Gnaden werden vielleicht verwundert sein, dass ich als Bräutigam
sieht sich um
indes - inzwischen -


MARSCHALLIN
Als Bräutigam?

BARON
Ja, wie Euer Gnaden denn doch aus meinem Brief genugsam -
für sich
Ein Grasaff' appetitlich, keine fünfzehn Jahr!


MARSCHALLIN
erleichtert
Der Brief, natürlich, ja, der Brief,
wer ist denn nur die Glückliche?
Ich hab den Namen auf der Zunge.


BARON
Wie?
nach rückwärts
Pudeljung! Gesund! Gewaschen! Allerliebst!


MARSCHALLIN
Wer ist nur schnell die Braut?

BARON
Das Fräulein Faninal.
Habe Euer Gnaden den Namen nicht verheimlicht.


MARSCHALLIN
Natürlich! Wo hab' ich meinen Kopf?!
Bloss die Familie. Sind's keine Hiesigen?


OCTAVIAN
macht sich mit dem Servierbrett zu tun,
wodurch er mehr hinter den Rücken des Barons kommt

BARON
mit Nachdruck
Jawohl, Euer Gnaden, es sind Hiesige.
Ein durch die Gnade Ihrer Majestät Geadelter.
Er hat die Lieferung für die Armee,
die in den Niederlanden steht.


MARSCHALLIN
bedeutet Octavian ungeduldig mit den Augen, er soll sich fortmachen

BARON
missversteht der Marschallin Miene vollständig
Ich seh', Euer Gnaden runzeln Dero
schöne Stirn ob der Mesalliance.
Allein dass ich es sage, das Mädchen ist
für einen Engel hübsch genug.
Kommt frischweg aus dem Kloster.
Ist das einzige Kind.
stärker
Dem Mann gehören zwölf Häuser auf der Wied'n
nebst dem Palais am Hof.
Und seine Gesundheit schmunzelnd
soll nicht die beste sein.


MARSCHALLIN
Mein lieber Vetter, ich kapier' schon, wieviel's geschlagen hat.
winkt Octavian, den Rückzug zu nehmen

BARON
Und mit Verlaub, fürstliche Gnaden,
ich dünke mir, gut's adeliges Blut genug im Leib
zu haben für ihrer zwei:
man bleibt doch schliesslich, was man ist, corpo di Bacco!
Den Vortritt, wo er ihr gebührt,
wird man der Frau Gemahlin noch zu verschaffen wissen,
und was die Kinder anlangt,
wenn sie denen den goldnen Schlüssel nicht konzedieren werden -
Va bene!
Sie werden sich mit den zwölf eisernen Schlüsseln zu den zwölf Häusern auf der Wied'n zu getrösten wissen.


MARSCHALLIN
Gewiss! O sicherlich, dem Vetter seine Kinder,
die werden keine Don Quichotten.


OCTAVIAN
will mit dem Servierbrett rückwärts zur Tür hin

BARON
Warum hinaus die Schokolade!]
Geruhen nur! Da! Pst, pst, wieso denn!


OCTAVIAN
steht unschlüssig, das Gesicht abgewendet

MARSCHALLIN
Fort, geh' Sie nur!

BARON
Wenn ich Euer Gnaden gesteh',
dass ich so gut wie nüchtern bin.


MARSCHALLIN
resigniert
Mariandel, komm' Sie her.
Servier' Sie Seiner Liebden.


OCTAVIAN
kommt, serviert

BARON
nimmt eine Tasse, bedient sich
So gut wie nüchtern, Euer Gnaden.
Sitz' im Reisewagen seit fünf Uhr früh.
Recht ein gestelltes Ding!
zu Octavian
Bleib' Sie hier, mein Herz. Ich hab' Ihr was zu sagen.
zur Marschallin, laut
Meine ganze Livree, Stallpagen, Jäger, alles -
er frisst
Alles unten im Hof zusammt meinem Altmosenier.


MARSCHALLIN
zu Octavian
Geh' Sie nur.

BARON
zu Octavian
Hat Sie noch ein Biskoterl? Bleib' Sie doch!
leise
Sie ist ein süsser Engel,
Schatz, ein sauberer.
zur Marschallin
Sind auf dem Wege zum »Weissen Rosse«,
wo wir logieren, heisst bis übermorgen -
halblaut zu Octavian
Ich gäb' was Schönes drum, mit Ihr -
zur Marschallin, sehr laut
bis übermorgen -
schnell zu Octavian
unter vier Augen zu scharmutzieren! Wie?


MARSCHALLIN
muss lachen über Octavians freches Komödienspiel

BARON
zur Marschallin
Dann ziehen wir ins Palais von Faninal.
Natürlich muss ich vorher den Bräutigamsaufführer -
wütend zu Octavian
will Sie denn nicht warten? -
an die wohlgeborne Jungfer Braut deputieren,
der die Silberrosen überbringt nach der hochadeligen Gepflogenheit.


MARSCHALLIN
Und wen von der Verwandtschaft haben
Euer Liebden für dieses Ehrenamt ausersehn?


BARON
Die Begierde,
darüber Euer Gnaden Ratschlag einzuholen,
hat mich so kühn gemacht,
in Reisekleidern bei Dero heutigem Lever -


MARSCHALLIN
Von mir?

BARON
Gemäss brieflich in aller Devotion getaner Bitte.
Ich bin doch nicht so unglücklich, mit dieser devotesten Supplik Dero Missfallen ...
lehnt sich zurück zu Octavian
Sie könnte mit mir machen, was Sie wollte. Sie hat das Zeug dazu!


MARSCHALLIN
Wie denn, natürlich!
Einen Aufführer für Euer Liebden ersten Bräutigamsbesuch aus der Verwandtschaft -
wen denn nur? den Vetter Preysing?
Wie? Den Vetter Lambert? Ich werde -


BARON
Dies liegt in Euer Gnaden allerschönsten Händen.

MARSCHALLIN
Ganz gut. Will Er mit mir zu Abend essen, Vetter?
Sagen wir morgen, will Er? Dann proponier' ich Ihm einen.


BARON
Euer Gnaden sind die Herablassung selber.

MARSCHALLIN
will aufstehen
Indes -

BARON
halblaut zu Octavian
Dass Sie mir wiederkommt!
Ich geh' nicht eher fort!


MARSCHALLIN
für sich
Oho!
laut
Bleib' Sie nur da! Kann ich dem Vetter für jetzt noch dienlich sein?


BARON
Ich schäme mich bereits:
An Euer Gnaden Notari eine Rekommandation.
wäre mir lieb.
Es handelt sich um den Ehvertrag.


MARSCHALLIN
Mein Notari kommt öfters des Morgens.
Schau' Sie doch, Mariandel,
ob er nicht in der Antichambre ist und wartet.


BARON
Wozu das Kammerzofel?
Euer Gnaden beraubt sich der Bedienung um meinetwillen.

hält sie auf

MARSCHALLIN
Lass Er doch, Vetter, Sie mag ruhig gehn.

BARON
lebhaft
Das geb' ich nicht zu, bleib'
Sie hier zu Ihrer Gnaden Wink.
Es kommt gleich wer von der Livree herein.
Ich liess ein solches Goldkind, meiner Seel',
nicht unter das infame Lakaienvolk.

streichelt sie

MARSCHALLIN
Euer Liebden sind allzu besorgt.

HAUSHOFMEISTER
tritt ein

BARON
Da, hab' ich's nicht gesagt?
Er wird Euer Gnaden zu melden haben.


MARSCHALLIN
zum Haushofmeister
Struhan, hab' ich meinen Notari in der Vorkammer warten?

HAUSHOFMEISTER
Fürstliche Gnaden haben den Notari,
dann den Verwalter, dann den Kuchelchef,
dann von Exzellenz Silva hergeschickt ein Sänger mit einem Flötisten.
trocken
Ansonsten das gewöhnliche Bagagi.

BARON
hat seinen Stuhl hinter den breiten Rücken des Haushofmeisters geschoben,
ergreift zärtlich die Hand der vermeintlichen Zofe
Hat Sie schon einmal mit einem Kavalier im tête-à-tête
zu Abend gegessen?


OCTAVIAN
tut sehr verlegen

BARON
Nein? Da wird Sie Augen machen.
Will Sie?


OCTAVIAN
leise, verschämt
I weiss halt nit, ob i dös derf.

MARSCHALLIN
dem Haushofmeister unaufmerksam zuhörend, beobachtet die beiden, muss leise lachen

HAUSHOFMEISTER
verneigt sich, tritt zurück, wodurch die Gruppe für den Blick der Marschallin frei wird

MARSCHALLIN
lachend zum Haushofmeister
Warten lassen.
Haushofmeister ab

BARON
setzt sich möglichst unbefangen zurecht

MARSCHALLIN
lachend
Der Vetter ist, ich seh es, kein Kostverächter.

BARON
erleichtert
Mit Euer Gnaden
aufatmend
ist man frei daran.
Da gibt's keine Flausen und keine Etikette und keine spanische Tuerei!

Er küsst der Marschallin die Hand.

MARSCHALLIN
amüsiert
Aber wo Er doch ein Bräut'gam ist?

BARON
halb aufstehend, ihr genähert
Macht das einen lahmen Esel aus mir?
Bin ich da nicht wie ein guter Hund auf einer guten Fährte?
Und doppelt scharf auf jedes Wild:
nach links, nach rechts?


MARSCHALLIN
Ich seh, Euer Liebden betreiben es als Profession.

BARON
ganz aufstehend
Das will ich meinen.
Wüsste nicht, welche mir besser behagen könnte.
Ich muss Euer Gnaden sehr bedauern,
dass Euer Gnaden nur -
wie drück' ich mich aus -
die verteidigenden Erfahrungen besitzen.
Parole d'honneur!
Es geht nichts über die von der anderen Seiten!


MARSCHALLIN
lacht
Ich glaube Ihm, dass die sehr mannigfaltig sind.

BARON
Soviel Zeiten das Jahr,
soviel Stunden der Tag,
da ist keine -


MARSCHALLIN
Keine?

BARON
Wo nicht -

MARSCHALLIN
Wo nicht? -
Baron_enters/Selbstverständlich-Karajan-1957 ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
BARON
Wo nicht dem Knaben Cupido ein Geschenkerl abzulisten wär'!
Dafür ist man kein Auerhahn und kein Hirsch,
sondern ist man Herr der Schöpfung,
dass man nicht nach dem Kalender forciert ist,
halten zu Gnaden!
Zum Exempel, der Mai ist recht lieb für's verliebte Geschäft,
das weiss jedes Kind, aber ich sage:
"Schöner ist Juni, Juli, August."
Da hat's Nächte!

Da ist bei uns da droben so ein Zuzug
von jungen Mägden aus dem Böhmischen herüber,
ihrer zweie, dreie halt' ich oft bis im November mir im Haus.
Dann erst schick' ich sie heim!
Zur Ernte kommen sie und sind auch ansonsten anstellig und gut -
dann erst schick' ich sie heim. -
schmunzelnd
Und wie sich das mischt, das junge, runde böhmische Völkel, schwer und süss,
mit denen im Wald und denen im Stall,
dem deutschen Schlag scharf und herb wie ein Retzer Wein -
wie sich das mischen tut!
Und überall steht was und lauert und schielt durch den Gattern,
und schleicht zueinander und liegt beieinander,
und überall singt was und schupft sich in den Hüften und melkt was
und mäht was und plantscht und plätschert was im Bach
und in der Pferdeschwemm'.


MARSCHALLIN
sehr amüsiert
Und Er ist überall dahinter her?

BARON
Wollt', ich könnt' sein wie Jupiter selig in tausend Gestalten!
Wär' Verwendung für jede!


MARSCHALLIN
Wie, auch für den Stier? So grob will Er sein?
Oder möchte Er die Wolken spielen und daher gesäuselt kommen als
ein Streiferl nasse Luft?


BARON
sehr munter
Je nachdem, all's je nachdem.
Das Frauenzimmer hat gar vielerlei Arten, wie es will genommen sein.
Da ist die demütige Magd..
Und da die trotzige Teufelskreatur, haut dir die schwere Stalltür an den Schädel -
und da ist, die kichernd und schluchzend den Kopf verliert,
die hab' ich gern, und jener wieder,
der sitzt im Auge ein kalter, rechnender Satan.
Aber es kommt eine Stunde, da flackert dieses lauernde Auge,
und der Satan, indem er ersterbende Blicke dazwischen schiesst,
mit Gusto
der würzt mir die Mahlzeit unvergleichlich.


MARSCHALLIN
Er selber ist einer, meiner Seel'!

BARON
Und wär' eine - haben die Gnad' - die keiner anschaut:
Im schmutzigen Kittel schlumpt sie her, hockt in der Asche hinterm Herd -
die, wo du sie angehst zum richtigen Stündl -
die hat's in sich!
Ein solches Staunen gar nicht begreifen können und Angst und Scham;
und auf die letzt' so eine rasende Seligkeit, dass sich der Herr,
der gnädige Herr herabgelassen gar zu ihrer Niedrigkeit!


MARSCHALLIN
Er weiss mehr als das Abc.

BARON
Da gibt es welche, die wollen beschlichen sein,
sanft, wie der Wind das frischgemähte Heu beschleicht.
Und welche - da gilt's wie ein Luchs hinterm Rücken heran und den Melkstuhl gepackt,
dass sie taumelt und hinschlägt!
behäbig schmunzelnd
Muss halt ein Heu in der Nähe dabei sein.


OCTAVIAN
platzt lachend heraus
Baron/Wo nicht dem Knaben Cupido-Karajan-1957 ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
MARSCHALLIN
Nein, Er agiert mir gar zu gut! Lass Er mir doch das Kind!

BARON
sehr ungeniert zu Octavian
Weiss mich ins engste Versteck zu bequemen,
weiss im Alkoven galant mich zu benehmen.
Hätte Verwendung für tausend Gestalten, tausend Jungfern festzuhalten.
Wäre mir keine zu junge, zu herbe, keine zu niedrige, keine zu derbe!
Tät' mich für keinem Versteck nicht schämen, seh' ich was Liebs:
ich muss mir's nehmen.


OCTAVIAN
sofort wieder in seiner Rolle
Na, zu dem Herrn, da ging' i net, da hätt' i an Respekt, na, was mir da passieren könnt', da wär' i gar zu g'schreckt.
I wass net, was er meint, i wass net, was er will.
Aber was z'viel is, das is z'viel.
Na, was mir da passieren könnt'.
Das is ja net zum Sagen, zu so an Herrn da ging' i net, mir tat's die Red' verschlagen.
Da tät' sich unsereins mutwillig schaden:
zur Marschallin
Ich hab' solche Angst vor ihm, fürstliche Gnaden.


MARSCHALLIN
Nein, Er agiert mir gar zu gut!
Er ist ein Rechter! Er ist der Wahre! Lass Er mir doch das Kind!
Er ist ganz, wie die andern dreiviertel sind.
Wie ich Ihn so seh', so seh' ich hübsch viele.
Das sind halt die Spiele, die Euch konvenieren!
Und wir, Herr Gott!
Wir leiden den Schaden, wir leiden den Spott,
und wir haben's halt auch net anders verdient.
mit gespielter Strenge
Und jetzt sackerlot, jetzt lass Er das Kind!


BARON
lässt von Octavian ab und nimmt wieder würdevolle Haltung an
Geben mir Euer Gnaden den Grasaff' da zu meiner künftgen Frau Gemahlin Bedienung.
Marschallin/Nein-Karajan-1957 ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
MARSCHALLIN
Wie, meine Kleine da? Was sollte die?
Die Fräulein Braut wird schon versehen sein
und nicht ansteh'n auf Euer Liebden Auswahl.


BARON
Das ist ein feines Ding! Kreuzsackerlot!
Da ist ein Tropfen guten Blut's dabei!


OCTAVIAN
für sich
Ein Tropf gutes Blut!

MARSCHALLIN
Euer Liebden haben ein scharfes Auge!

BARON
Geziemt sich.
vertraulich
Find'in der Ordnung, dass Personen von Stand
in solcher Weise von adeligem Blut bedient werden.
Führ' selbst ein Kind meiner Laune mit mir.


OCTAVIAN
stets sehr belustigt zuhörend, für sich
Ein Kind seiner Laune?

MARSCHALLIN
Wie? Gar ein Mädel? Das will ich nicht hoffen.

BARON
Nein, einen Sohn. Trägt lerchenauisches Gepräge im Gesicht. Halt' ihn als Leiblakai. Wenn Euer Gnaden dann werden befehlen, dass ich die silberne Rosen darf Dero Händen übergeben, wird er es sein, der sie heraufbringt.

MARSCHALLIN
Soll mich recht freuen.
Aber wart' Er einmal.
Octavian winkend
Mariandel!


BARON
Geben mir Euer Gnaden das Zofel!
Ich lass nicht locker.


MARSCHALLIN
Ei! Geh' Sie nur und bring' Sie das Medaillon her.

OCTAVIAN
leise
Theres! Theres, gib acht!

MARSCHALLIN
ebenso
Bring's nur schnell! Ich weiss schon, was ich tu.
Marschallin/Wie-Karajan-1957 ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
BARON
Octavian nachsehend
Könnt' eine junge Fürstin sein.
dann, im Konversationston
Hab' vor, meiner Braut eine getreue Kopie meines Stammbaums zu spendieren -
nebst einer Locke vom Ahnherrn Lerchenau,
der ein grosser Klosterstifter war
und Oberst-Erblandhofmeister in Kärnten
und in der windischen Mark.


OCTAVIAN
bringt das Medaillon

MARSCHALLIN
Wollen Euer Gnaden leicht den jungen Herren da
als Bräutigamsaufführer haben?


BARON
Bin ungeschauter einverstanden!

MARSCHALLIN
etwas zögernd
Mein junger Vetter, der Graf Octavian.

BARON
stets sehr verbindlich
Wüsste keinen vornehmeren zu wünschen!
Wär'in Devotion dem jungen Herrn sehr verbunden!


MARSCHALLIN
schnell
Seh' Er ihn an!
hält ihm das Medaillon hin

BARON
sieht bald auf das Medaillon, bald auf die Zofe
Die Ähnlichkeit!

MARSCHALLIN
Ja, ja.

BARON
Wie aus dem Gesicht geschnitten!

MARSCHALLIN
Hat mir auch schon Gedanken gemacht.
auf das Medaillon deutend
Rofrano, des Herrn Marchese zweiter Bruder.


BARON
Octavian Rofrano!
Da ist man wer, wenn man aus solchem Haus,
mit Beziehung auf die Zofe
und wär's auch bei der Domestikentür!


MARSCHALLIN
Darum halt' ich sie auch wie was Besonderes.

BARON
Geziemt sich.

MARSCHALLIN
Immer um meine Person.

BARON
Sehr wohl.

MARSCHALLIN
Jetzt aber geh' Sie, Mariandel, mach' Sie fort.

BARON
Wie denn? Sie kommt doch wieder.

MARSCHALLIN
überhört den Baron absichtlich
Und lass Sie die Antichambre herein.

OCTAVIAN
geht gegen die Flügeltür rechts

BARON
ihm nach
Mein schönstes Kind!

OCTAVIAN
an der Tür rechts
Derft's eina geh'!
läuft nach der andern Tür

BARON
ihm nach
Ich bin Ihr Serviteur!
Geb' Sie doch einen Augenblick Audienz!
Baron/Könnt'-Karajan-1957 ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
OCTAVIAN
schlägt ihm die kleine Tür vor der Nase zu
I komm' glei.

In diesem Augenblick tritt eine alte Kammerfrau durch die gleiche Türe ein.
Der Baron zieht sich enttäuscht zurück.
Zwei Lakaien kommen von rechts herein,
bringen einen Wandschirm aus dem Alkoven.
Die Marschallin tritt hinter den Wandschirm,
die Kammerfrau mit ihr.
Der Frisiertisch wird vorgeschoben in die Mitte.
Lakaien öffnen die Flügeltüren rechts.
Es treten ein der Notar, der Küchenchef,
hinter diesem ein Küchenjunge, der das Menübuch trägt.
Dann die Modistin, ein Gelehrter mit einem Folianten
und der Tierhändler mit winzig kleinen Hunden und einem Äffchen.
Valzacchi und Annina, hinter diesen rasch gleitend,
nehmen den vordersten Platz links ein,
die adelige Mutter mit ihren drei Töchtern, alle in Trauer,
stellen sich in den rechten Flügel.
Der Haushofmeister führt den Tenor und den Flötisten nach vorne.
Baron rückwärts winkt einen Lakaien zu sich, gibt ihm den Auftrag,
zeigt: "Hier durch die Hintertür«.

DIE DREI WAISEN
schreiend
Drei arme adellge Waisen -

DIE ADELIGE MUMR
bedeutet ihnen, nicht so zu schreien und niederzuknien

DIE DREI WAISEN
niederkniend
Drei arme adelige Waisen erflehen Dero hohen Schutz!

MODISTIN
laut
Le chapeau Paméla! La poudre à la reine de Golconde!

DER TIERHÄNDLER
Schöne Affen, wenn Durchlaucht schaffen, auch Vögel hab' ich da aus Afrika.

DIE DREI WAISEN
Der Vater ist jung auf dem Felde der Ehre gefallen, ihm dieses nachzutun, ist unser Herzensziel.

MODISTIN
Le chapeau Paméla! C'est la merveille du monde!

DER TIERHÄNDLER
Papageien hätt' ich da, aus Indien und Afrika. Hunderln, so klein und schon zimmerrein.

Marschallin tritt hervor, alles verneigt sich. Baron ist links vorgekommen.

MARSCHALLIN
zum Baron
Ich präsentiere Euer Liebden hier den Notar.
Octavian/I komm' glei-Karajan-1957 ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
Notar tritt mit Verneigung gegen den Frisiertisch,
wo sich die Marschallin niedergelassen, zum Baron links.
Marschallin winkt die jüngste der drei Waisen zu sich,
lässt sich vom Haushofmeister einen Geldbeutel reichen ' gibt ihn dem Mädchen,
indem sie es auf die Stirn küsst.
Gelehrter will vortreten, seine Folianten überreichen,
Valzacchi springt vor, drängt ihn zur Seite.

VALZACCHI
ein schwarzgerändertes Zeitungsblatt hervorziehend
Die swarze Seitungt Fürstlike Gnadel Alles 'ier ge'eim gesrieben!
Nur für 'ohe Persönlikeite.
Die swarze Seitung!
Eine Leikname in 'Interkammer von eine gräflike Palais!
Eine Bürgersfrau mit der amante vergiften der Hehemann diese Nackt um dreie Huhr!


MARSCHALLIN
Lass Er mich mit dem Tratsch in Ruh'!

VALZACCHI
In Gnaden! Tutte quante Vertraulikeite aus die grosse Welt!

MARSCHALLIN
Ich will nix wissen! Lass Er mich mit dem Tratsch in Ruh'!

VALZACCHI
mit bedauernder Verbeugung, springt

DIE DREI WAISEN
zuletzt auch die Mutter, haben der Marschallin die Hand geküsst, zum Abgehen bereit, etwas plärrend
Glück und Segen allerwegen
Euer Gnaden hohem Sinn!
Eingegraben steht erhaben
er in unserem Herzen drin.

gehen ab samt der Mutter
Valzacchi/Die swarze Seitungt-Karajan-1957 ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
Der Friseur tritt hastig auf,
der Gehilfe stürzt ihm mit fliegenden Rockschössen nach.
Der Friseur fasst die Marschallin ins Auge, verdüstert sich, tritt zurück,
er studiert ihr heutiges Aussehen.
Der Gehilfe packt indessen aus am Frisiertisch.
Der Friseur schiebt einige Personen zurück, sich Spielraum zu schaffen.
Der Flötist ist inzwischen vorgetreten und beginnt seine Kadenz.
Nach einer kurzen Überlegung hat der Friseur sein en Plan gef asst,
er eilt mit Entschlossenheit auf die Marschallin zu,
beginnt zu frisieren.
Ein Lauffer in Rosa, Schwarz und Silber tritt auf,
überbringt ein Billet.
Haushofmeister mit Silbertablett ist schnell zur Hand,
präsentiert es der Marschallin.
Friseur hält inne, sie lesen zu lassen.
Gehilfe reicht ihm ein neues Eisen.
Friseur schwenkt es: ist zu heiss.
Gehilfe reicht ihm nach fragendem Blick auf die Marschallin das Billett, die nickt,
worauf er es lächelnd verwendet, um das Eisen zu kühlen.
Der Sänger hat sich in Position gestellt, hält das Notenblatt.
Die Lakaien haben rechts ganz vorne Stellung genommen,
andere stehen im Hintergrund.

DER TENOR
Dírigori armato il seno
contro amor mi ribellai,
ma fui vinto in un baleno
in mirar due gaghi rai.
Ma fui vinto in un baleno
ahí!
in mirar due vaghi rai.
Ahi!
che resiste puoco a stral di fuoco
Cor di gelo di fuoco a stral.
Marschallin_primps-Karajan-1957
Der Tenor/Dírigori armato il seno-Karajan-1957
ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
Der Friseur übergibt dem Gehilfen das Eisen und applaudiert dem Sänger.
Dann fährt er im Arrangement des Lockenbaues fort.
Ein Bedienter hat indessen bei der kleinen Tür den Kammerdiener des Barons, den Almosenier und den Jäger eingelassen.
Es sind drei bedenkliche Gestalten.
Der Kammerdiener ist ein junger grosser Lümmel, der dumm und frech aussieht.
Er trägt unterm Arm ein Futteral aus rotem Saffian.
Der Almosenier ist ein verwilderter Dorfkooperator,
ein drei Schuh hoher, aber stark und verwegen aussehender Gnom.
Der Leibjäger mag, bevor er in die schlechtsitzende Livree gesteckt wurde, Mist geführt haben.
Der Almosenier und der Kammerdiener scheinen sich um den Vortritt zu streiten und steigen einander auf die Füsse.
Sie steuern längs der linken Seite auf ihren Herrn zu,
in dessen Nähe sie haltmachen.

BARON
sitzend zum Notar, der vor ihm steht, seine Weisungen entgegennimmt. Halblaut
Als Morgengabe -ganz separatim jedoch -
und vor der Mitgift - bin ich verstanden, Herr Notar? -
kehrt Schloss und Herrschaft Gaunersdorf an mich zurück!
Von Lasten frei und ungemindert an Privilegien,
so wie mein Vater selig sie besessen hat.


NOTAR
kurzatmig
Gestatten hochfreiherrliche Gnaden die submisseste Belehrung,
dass eine Morgengabe wohl vom Gatten an die Gattin,
nicht aber von der Gattin an den Gatten
tief aufatmend bestellet und stipuliert zu werden, fähig ist.

BARON
Das mag wohl sein.

NOTAR
Das ist so -

BARON
Aber im besondern Fall -

NOTAR
Die Formen und die Präskriptionen kennen keinen Unterschied.

BARON
schreit
Haben ihn aber zu kennen!

NOTAR
erschrocken
In Gnaden!

BARON
Wenn eines hochadeligen Blutes blühender Spross sich herablässt im Ehebette einer so gut als bürgerlichen Mamsell Faninal - bin ich verstanden? - acte de présence zu machen vor Gott und der Welt und sozusagen angesichts kaiserlicher Majestät -

DER FLÖTIST
beginnt wieder zu präludieren

BARON
Da wird, corpo di Bacco!
von Morgengabe als geziemendem Geschenk dankbarer Devotion für die Hingab'
so hohen Blutes sehr wohl die Rede sein!
Baron/Als Morgangabe-Karajan-1957 ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
Sänger macht Miene wieder anzufangen,
wartet noch, bis der Baron still wird.

NOTAR
zum Baron, leise
Vielleicht, dass man die Sache separatim -

BARON
leise
Er ist ein schmählicher Pedant:
als Morgengabe will ich das Gütel!


NOTAR
ebenso
Als einen wohl verklausulierten Teil der Mitgift -

BARON
halblaut
Als Morgengab e !
Geht das nicht in Seinen Schädel - ?


NOTAR
ebenso
Als eine Schenkung inter vivos oder -

BARON
schlägt wütend auf den Tisch, schreiend
Als Morgengabe!

DER SÄNGER
während des Gesprächs der beiden
Ma si caro è'1 mio tormento doleo é si la piága mia,
eh' il penare é mio contento e'1 sanarmi è tirannia.
Ahi! Che resiste puoco cor .....
bricht jäh ab


NOTAR
zieht sich erschrocken in die Ecke zurück

MARSCHALLIN
winkt den Sänger zu sich, reicht ihm die Hand zum Kuss

SÄNGER NEBST FLÖTIST
ziehen sich unter tiefen Verbeugungen zurück

BARON
tut, als ob nichts geschehen wäre, winkt dem Sänger leutselig zu, tritt dann zu seiner Dienerschaft, streicht dem Leiblakai die bäurisch in die Stirn gekämmten Haare hinaus; geht dann, als suchte er jemand, zur kleinen Tür, öffnet sie, spioniert hinaus, ärgert sich, schnüffelt gegen's Bett, schüttelt den Kopf, kommt dann wieder vor
(Sänger_macht_Miene_wieder_anzufangen)-Karajan-1957 ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
MARSCHALLIN
sieht sich in dem Handspiegel, halblaut
Mein lieber Hippolyte,
heut haben Sie ein altes Weib aus mir gemacht!


Der Friseur mit Bestürzung wirft sich fieberhaft auf den Lockenbau der Marschallin und verändert ihn aufs neue.

Das Gesicht der Maschallin bleibt traurig.

MARSCHALLIN
über die Schulter zum Haushofmeister
Abtreten die Leut'!

Die Lakaien, eine Kette bildend,
schieben die auf wartenden Personen zur Tür hinaus,
die sie dann verschliessen.
Nur der Gelehrte, vom Haushofmeister ihr zugeführt,
bleibt noch im Gespräch mit der Marschallin,
bis zum Schluss des Intermezzos zwischen Valzacchi, Annina und dem Baron.
Valzacchi, hinter ihm Annina,
haben sich im Rücken aller rings um die Bühne zum Baron hinübergeschlichen
und präsentieren sich ihm mit übertriebener Devotion.

VALZACCHI
zum Baron
Ihre Gnade sukt etwas.
Ik seh, Ihre Gnade at eine Bedürfnis.
lk kann dienen. Ik kann besorgen.


BARON
tritt zurück
Wer ist Er, was weiss Er?

VALZACCHI
Ihre Gnade Gesikt sprikt ohne Sunge.
Wie ein Hantike: come statua di Giove.


BARON
Das ist ein besserer Mensch.

VALZACCHI
Erlaukte Gnade,
attachieren uns an Sein Gefolge.

fällt auf die Knie, desgleichen Annina, die Valzacchi immer nachspricht

BARON
Euch?

VALZACCHI
Onkel und Nikte.
Su sweien maken alles besser.
Per esemplo: Ihre Gnade at eine junge Frau -


BARON
Woher weiss Er denn das, Er Teufel Er?

VALZACCHI
eifrig
Ihre Gnade ist in Eifersukt;
dico per dire eut oder morgen könnte sein.
Affare nostro! jede Sritt die Dame sie tut,
jede Wagen die Dame steigt, jede Brief die Dame bekommt -
wir sind da!
An die Ecke, in die Kamin, 'inter die Bette -
in eine Schranke, unter die Dache,
wir sind da!


ANNINA
Ihre Gnade wird nicht bedauern!
halten ihm die Hände hin, Geld heischend, er tut, als bemerke er es nicht


BARON
halblaut
Hm! Was es alles gibt in diesem Wien? Zur Probe nur: kennt Sie die Jungfer Mariandel?

ANNINA
ebenso
Mariandel?

BARON
ebenso
Das Zofel hier im Haus bei Ihrer Gnaden?

VALZACCHI
leise zu Annina
Sai tu, cosa vuole?

ANNINA
ebenso
Niente.

VALZACCHI
zum Baron
Sicker! Sicker!
Mein Nickte wird besorgen.
Seien sicker, Ihre Gnade?
Wir sind da!


Marschallin ist aufgestanden. Friseur nach tiefer Verbeugung eilt ab. Gehilfe hinter ihm.
Marschallin/Mein_lieber_Hippolyte-Karajan-1957 ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
BARON
die beiden Italiener stehenlassend, zur Marschallin
Darf ich das Gegenstück zu Dero sauberm Kammerzoferl präsentieren?
selbstgefällig
Die Ähnlichkeit soll, hör' ich, unverkennbar sein.


MARSCHALLIN
nickt

BARON
Leopold, das Futteral.

Der junge Kammerlakai präsentiert linkisch das Futteral.

MARSCHALLIN
ein bisschen lachend
Ich gratuliere Euer Liebden sehr.

BARON
nimmt dem Burschen das Futteral aus der Hand und winkt ihm zurückzutreten
Und da ist nun die silberne Rose.
will's aufmachen

MARSCHALLIN
Lassen nur drinnen. Haben die Gnad' und stellens' dort hin.

BARON
Vielleicht das Zofel soll's übernehmen? Ruft man ihr?

MARSCHALLIN
Nein, lassen nur. Die hat jetzt keine Zeit.
Doch sei Er sicher:
den Grafen Octavian bitt' ich Ihm auf,
er wird's mir zulieb schon tun und als Euer Liebden Kavalier vorfahren mit der Rosen zu der Jungfer Braut.
Stellen indes nur hin.
Und jetzt, Herr Vetter, sag' ich Ihm Adieu.
Man retiriert sich jetzt von hier:
Ich werd' jetzt in die Kirchen gehn.


Lakaien öffnen die Flügeltür.

BARON
Euer Gnaden haben heut durch unversiegte Huld mich tiefst beschämt.
Baron/Darf_ich_das_Gegenstück-Karajan-1957 ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
Macht die Reverenz; entfernt sich unter Zeremoniell.
Der Notar hinter ihm, auf seinen Wink.
Seine drei Leute hinter diesem, in mangelhafter Haltung.
Die beiden Italiener lautlos und geschmeidig, schliessen sich unbemerkt an.
Lakaien schliessen die Tür.
Haushofmeister tritt ab.
Marschallin allein.

MARSCHALLIN
allein
Da geht er hin, der aufgeblasne schlechte Kerl,
und kriegt das hübsche junge Ding und einen Pinkel Geld dazu.

seufzend
Als müsst's so sein.
Und bildet sich noch ein, dass er es ist, der sich was vergibt.
Was erzürn'ich mich denn?
Ist doch der Lauf der Welt.

Kann mich auch an ein Mädel erinnern,
die frisch aus dem Kloster ist in den heiligen Ehstand kommandiert word'n.
nimmt den Handspiegel
Wo ist die jetzt? Ja,

seufzend
such' dir den Schnee vom vergangenen Jahr!
Das sag'ich so:

ruhig
Aber wie kann das wirklich sein,
dass ich die kleine Resi war
und dass ich auch einmal die alte Frau sein werd?
Die alte Frau, die alte Marschallin!
»Siegst es, da geht die alte Fürstin Resi!«
Wie kann denn das geschehn?
Wie macht denn das der liebe Gott?
Wo ich doch immer die gleiche bin.
Und wenn er's schon so machen muss,
warum lasst er mich zuschaun dabei mit gar so klarem Sinn!
Warum versteckt er's nicht vor mir?
Das alles ist geheim, so viel geheim.
Und man ist dazu da, dass man's ertragt.

Und in dem »Wie«

sehr ruhig
da liegt der ganze Unterschied.
1/Marschallin/Da_geht_er_hin-Karajan-1957 ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
OCTAVIAN
tritt von rechts ein, in einem Morgenanzug mit Reitstiefeln

MARSCHALLIN
ruhig, mit halbem Lächeln
Ah, du bist wieder da!

OCTAVIAN
zärtlich
Und du bist traurig!

MARSCHALLIN
Es ist ja schon vorbei.
Du weisst ja, wie ich bin.
Ein halb Mal lustig, ein halb Mal traurig.
Ich kann halt meinen Gedanken nicht kommandier'n.


OCTAVIAN
Ich weiss, warum du traurig bist, mein Schatz.
Weil du erschrocken bist und Angst gehabt hast.
Hab' ich nicht recht?
Gesteh' mir nur: du hast Angst gehabt, du Süsse, du Liebe, um mich, um mich!


MARSCHALLIN
Ein bissel vielleicht,
aber ich hab' mich erfangen und hab' mir vorgesagt:
Es wird schon nicht dafür stehn.
Und wär's dafür gestanden?


OCTAVIAN
heiter
Und es war kein Feldmarschall, nur ein spassiger Herr Vetter,
und du gehörst mir, du gehörst mir!


MARSCHALLIN
ihn abwehrend
Taverl, umarm' Er nicht zu viel.
Wer allzuviel umarmt, der hält nichts fest..


OCTAVIAN
leidenschaftlich
Sag', dass du mir gehörst! Mir!

MARSCHALLIN
Oh, sei Er j etzt sanft, sei Er gescheit und sanft und gut.

OCTAVIAN
will lebhaft erwidern

MARSCHALLIN
Nein, bitt' schön, sei Er nur nicht, wie alle Männer sind!

OCTAVIAN
misstrauisch auffahrend
Wie alle Männer?

MARSCHALLIN
schnell gefasst
Wie der Feldmarschall und der Vetter Ochs.

OCTAVIAN
nicht dabei beruhigt
Bichette!

MARSCHALLIN
mit Nachdruck
Sei - Er nur nicht, wie alle Männer sind.

OCTAVIAN
zornig
Ich weiss nicht, wie alle Männer sind.
plötzlich sanft
Weiss nur, dass ich dich lieb hab',
Bichette, sie haben dich mir ausgetauscht,
Bichette, wo ist Sie denn!


MARSCHALLIN
ruhig
Sie ist wohl da, Herr Schatz.

OCTAVIAN
Ja, ist Sie da?
Dann will ich Sie halten, dass Sie mir nicht wieder entkommt!
leidenschaftlich
Packen will ich Sie, packen, dass Sie es spürt, zu wem Sie gehört zu mir!
Denn ich bin Ihr und Sie ist mein!


MARSCHALLIN
sich ihm entwindend
Oh, sei Er gut, Quinquin.
Mir ist zumut,
dass ich die Schwäche von allem Zeitlichen recht spüren muss,
bis in mein Herz hinein, wie man nichts halten soll,
wie man nichts packen kann,
wie alles zerläuft zwischen den Fingern,
wie alles ,sich auflöst, wonach wir greifen,
alles zergeht wie Dunst und Traum.


OCTAVIAN
Mein Gott, wie Sie das sagt.
Sie will mir doch nur zeigen, dass Sie nicht an mir hängt.

Er weint.

MARSCHALLIN
Sei Er doch gut, Quinquin!

OCTAVIAN
weint stärker

MARSCHALLIN
Jetzt muss ich noch den Buben dafür trösten,
dass er mich über kurz oder lang wird sitzen lassen.

Sie streichelt ihn.

OCTAVIAN
Über kurz oder lang?
heftig
Wer legt dir heute die Wörter in den Mund, Bichette?


MARSCHALLIN
Dass Ihn das Wort so kränkt!
1/Marschallin/Ah,_du_bist_wieder_da!-Karajan-1957 ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
OCTAVIAN
hält sich die Ohren zu

MARSCHALLIN
Die Zeit im Grunde, Quinquin, die Zeit,
die ändert doch nichts an den Sachen.
Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding.
Wenn man so hinlebt, ist sie rein gar nichts.
Aber dann auf einmal, da spürt man nichts als sie.
Sie ist um uns herum, sie ist auch in uns drinnen.
In den Gesichtern rieselt sie, im Spiegel da rieselt sie,
in meinen Schläfen fliesst sie.
Und zwischen mir und dir da fliesst sie wieder, lautlos,
wie eine Sanduhr.
warm
Oh, Quinquin!
Manchmal hör' ich sie fliessen - unaufhaltsam.
leise
Manchmal steh' ich auf mitten in der Nacht
und lass die Uhren alle, alle stehn.
Allein man muss sich auch vor ihr nicht fürchten.
Auch sie ist ein Geschöpf des Vaters,
der uns alle erschaffen hat.


OCTAVIAN
mit ruhiger Zärtlichkeit
Mein schöner Schatz,
will Sie sich traurig machen mit Gewalt?
Wo Sie mich da hat,
wo ich meine Finger in Ihre Finger schlinge,
wo ich mit meinen Augen Ihre Augen suche.
Wo Sie mich da hat - gerade da ist Ihr so zumut?


MARSCHALLIN
sehr ernst
Quinquin, heut oder morgen geht Er hin,
und gibt mich auf um einer andern willen,
etwas zögernd
die jünger und schöner ist als ich.


OCTAVIAN
Willst du mit Worten mich von dir stossen,
weil dir die Hände den Dienst nicht tun?


MARSCHALLIN
ruhig
Der Tag kommt ganz von selber.
Heut oder morgen kommt der Tag, Octavian.


OCTAVIAN
Nicht heut, nicht morgen! ich hab' dich lieb.
Nicht heut, nicht morgen!
Wenn's so einen Tag geben muss, ich denk' ihn nicht!
So einen schrecklichen Tag!
Ich will den Tag nicht sehn.
Ich will den Tag nicht denken.
Was quälst du dich und mich, Theres'?


MARSCHALLIN
Heut oder morgen oder den übernächsten Tag.
Nicht quälen will ich dich, mein Schatz.
Ich sag' was wahr ist, sag's zu mir so gut als wie zu dir.
Leicht will ich's machen dir und mir.
Leicht muss man sein, mit leichtem Herz und leichten Händen halten und nehmen, halten und lassen . . .
Die nicht so sind, die straft das Leben,
und Gott erbarmt sich ihrer nicht.


OCTAVIAN
Sie spricht ja heute wie ein Pater.
Soll das heissen,
ass ich Sie nie mehr werde küssen dürfen,
bis Ihr der Atem ausgeht?


MARSCHALLIN
sanft
Quinquin, Er soll jetzt gehn, Er soll mich lassen.
Ich werd' jetzt in die Kirchen gehn,
und später fahr' ich zum Onkel Greifenklau,
der alt und gelähmt ist, und ess' mit ihm:
das f reut den alten Mann.
Und Nachmittag werd' ich Ihm einen Lauffer schicken, Quinquin,
und sagen lassen, ob ich in den Prater fahr'.
Und wenn ich fahr' und Er hat Lust,
so wird Er auch in den Prater kommen
und neben meinem Wagen reiten.
jetzt sei Er gut und folg' Er mir.


OCTAVIAN
leise
Wie Sie befiehlt, Bichette.
Er geht ab.
1/Marschallin/Die_Zeit_im_Grunde-Karajan-1957 ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
MARSCHALLIN
allein, fährt leidenschaftlich auf
Ich hab' ihn nicht einmal geküsst.
Sie klingelt heftig. Lakaien kommen von rechts.
Lauft's dem Herrn Grafen nach
und bittet's ihn noch auf ein Wort herauf.


LAKAIEN
schnell ab

MARSCHALLIN
Ich hab' ihn fortgehn lassen
und ihn nicht einmal geküsst!
1/Marschallin/Ich_hab'_ihn_nicht_einmal_geküsst-Karajan-1957 ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
Die Lakaien kommen zurück ausser Atem.

ERSTER LAKAI
Der Herr Graf sind auf und davon.

ZWEITER LAKAI
Gleich beim Tor sind aufgesessen.

DRITTER LAKAI
Reitknecht hat gewartet.

VIERTER LAKAI
Gleich beim Tor sind aufgesessen wie der Wind.

ERSTER LAKAI
Waren um die Ecken wie der Wind.

ZWEITER LAKAI
Sind nachgelaufen.

DRITTER LAKAI
Wir haben geschrien.

VIERTER LAKAI
War umsonst.

ERSTER LAKAI
Waren um die Ecken wie der Wind.

MARSCHALLIN
Es ist gut, geht nur wieder.
Die Lakaien ziehen sich zurück.

MARSCHALLIN
ruft nach
Den Mohammed!

der kleine Neger herein, klingelnd, verneigt sich

MARSCHALLIN
Das da trag'.

NEGER
nimmt eifrig das Saffianfutteral

MARSCHALLIN
Weisst ja nicht wohin.
Zum Grafen Octavian.
Gib's ab und sag':
Da drin ist die silberne Ros'n.
Der Herr Graf weiss ohnehin.


Der Neger läuft ab.

MARSCHALLIN
stützt den Kopf in die Hand
und bleibt so in träumerischer Haltung bis zum Schluss
1/Die_Lakaien_kommen_zurück_ausser_Atem.-Karajan-1957

(1/Curtains_close.)-Karajan-1957
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ZWEITER AUFZUG
(((2/Synopsis_in_English-Karajan-1957)))
((2/Curtain,_von_Karajan_enters-Karajan-1957))

2/Music_begins-Karajan-1957
2/Curtain_parts-Karajan-1957
2/Faninal/Ein_ernster_Tag-Karajan-1957
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Saal bei Herrn von Faninal. Mitteltüre nach dem Vorsaal. Türen links und rechts. Rechts auch ein grosses Fenster. Zu beiden Seiten der Mitteltüre Stühle an der Wand. In den abgerundeten Ecken jederseits eine kleine unsichtbare Türe.
Faninal, Sophie, Marianne Leitmetzerin, die Duenna, der Haushofmeister, Lakaien.

FANINAL
im Begriff, von Sophie Abschied zu nehmen
Ein ernster Tag, ein grosser Tag!
Ein Ehrentag, ein heilger Tag!


SOPHIE
küsst ihm die Hand

MARIANNE
am Fenster
Der Josef fahrt vor mit der neuen Kaross',
hat himmelblaue Vorhäng, vier Apfelschimmel sind dran.


HAUSHOFMEISTER
nicht ohne Vertraulichkeit zu Faninal
Ist höchste Zeit, dass Euer Gnaden fahren.
Der hochadelige Bräutigamsvater, sagt die Schicklichkeit,
muss ausgefahren sein, bevor der silberne Rosenkavalier vorfahrt.
Wär' nicht geziemend, dass vor der Tür sie sich begegneten.
Lakaien öffnen die Tür.

FANINAL
In Gottes Namen.
Wenn ich wiederkomm',
so führ' ich deinen Herrn Zukünftigen bei der Hand.


MARIANNE
Den edlen und gestrengen Herrn von Lerchenau!

FANINAL
geht

SOPHIE
vorgehend, allein

MARIANNE
am Fenster
Jetzt steigt er ein.
Der Xaver und der Anton springen hinten auf.
Der Stallpag' reicht dem Josef seine Peitsch'n.
Alle Fenster sind voller Leut'.

SOPHIE
In dieser feierlichen Stunde der Prüfung,
da du mich, o mein Schöpfer, über mein Verdienst erhöhen
und in den heiligen Ehestand führen willst,
(sie hat grosse Mühe, gesammelt zu bleiben)
opfr' ich dir in Demut, mein Herz in Demut auf.
Die Demut in mir zu erwecken, muss ich mich demütigen.


MARIANNE
sehr aufgeregt
Die halbe Stadt ist auf die Füss'.
Aus dem Seminari schaun die Hochwürdigen von die Balkoner.
Ein alter Mann sitzt oben auf der Latern'.


SOPHIE
sammelt sich mühsam
Demütigen und recht bedenken:
die Sünde, die Schuld, die Niedrigkeit, die Verlassenheit, die Anfechtung!
Die Mutter ist tot und ich bin ganz allein.
Für mich selber steh' ich ein.
Aber die Ehe ist ein heiliger Stand.


MARIANNE
entzückt ausrufend
Er kommt, er kommt in zwei Karossen.
Die erste ist vierspännig, die ist leer.
In der zweiten, sechsspännigen, sitzt er selber, der Rosenkavalier.


SOPHIE
ziemlich fassungslos
Ich will mich niemals meines neuen Standes überheben -
die Stimmen der Lauffer vor Octavians Wagen unten auf der Gasse: Rofrano, Rofrano!
- mich überheben.
sie hält es nicht aus
Was rufen denn die?


MARIANNE
Den Namen vom Rosenkavalier und alle Namen von deiner neuen fürstlichn Verwandschaft rufen's aus.
jetzt rangier'n sich die Bedienten.
Die Lakaien springen rückwärts ab!


Die Stimmen der Lauffer zu dreien näher: Rofrano! Rofrano!

SOPHIE
Werden sie mein' Bräutigam sein' Namen auch so ausrufen,
wenn er angefahren kommt!?


Die Stimmen der Lauffer dicht unter dem Fenster: Rofrano! Rofrano!

MARIANNE
ganz begeistert
Sie reissen den Schlag auf!
Er steigt aus!
Ganz in Silberstück' ist er angelegt, von Kopf zu Fuss.
Wie ein heil'ger Engel schaut er aus.


Zwei Faninalsche Lakaien haben schnell die Mitteltür aufgetan.

SOPHIE
Herrgott im Himmel!
Ich weiss, der Stolz ist eine schwere Sünd'.
Aber jetzt kann ich mich nicht demütigen.
Jetzt geht's halt nicht!
Denn das ist ja so schön, so schön!


Währenddem ist Octavians Dienerschaft in seinen Farben: Weiss mit Blassgrün rasch eingetreten. Die Lakaien, die Haiducken mit krummen ungarischen Säbeln an der Seite, die Lauff er in weissem sämischem Leder mit grünen Straussenfedern. Dicht hinter diesem ein Neger, der Octavians Hut, und ein anderer Lakai, der das Safflanfutteral für die silberne Rose in beiden Händen trägt. Dann Octavian, die Rose in der Rechten. Er geht mit adeligem Anstand auf Sophie zu, aber sein Knabengesicht ist von seiner Schüchternheit gespannt und gerötet. Sophie ist vor Aufregung über seine Erscheinung und die Zeremonie leichenblass. Sie stehen einander gegenüber und machen sich wechselweise durch ihre Verlegenheit und Schönheit noch verwirrter.

OCTAVIAN
etwas stockend
Mir ist die Ehre widerfahren,
dass ich der hoch- und wohlgeborenen Jungfer Braut,
in meines Herrn Vetters Namen, dessen zu Lerchenau Namen,
die Rose seiner Liebe überreichen darf.


SOPHIE
nimmt die Rose
Ich bin Euer Liebden sehr verbunden. -
Ich bin Euer Liebden in aller Ewigkeit verbunden. -

eine Pause der Verwirrung

SOPHIE
indem sie an der Rose riecht
Hat einen starken Geruch. Wie Rosen, wie lebendige.

OCTAVIAN
Ja, ist ein Tropfen persischen Rosenöls darein getan.

SOPHIE
Wie himmlische, nicht irdische, wie Rosen vom hochheiligen Paradies.
Ist Ihm nicht auch?


OCTAVIAN
neigt sich über die Rose, die sie ihm hinhält; dann richtet er sich auf und sieht auf ihren Mund

SOPHIE
Ist wie ein Gruss vom Himmel.
Ist bereits zu stark, als dass mans ertragen kann.
Zieht einen nach, als lägen Stricke um das Herz.
leise
Wo war ich schon einmal und war so selig?


OCTAVIAN
zugleich mit ihr wie unbewusst und noch leiser
Wo war ich schon einmal und war so selig?

SOPHIE
mit Ausdruck
Dahin muss ich zurück! und müsst' ich völlig sterben auf dem Weg!
Allein ich sterb' ja nicht.
Das ist ja weit.
Ist Zeit und Ewigkeit in einem sel'gen Augenblick,
den will ich nie vergessen bis an meinen Tod.


OCTAVIAN
zugleich mit ihr
Ich war ein Bub', da hab' ich die noch nicht gekannt.
Wer bin denn ich? Wie komm' denn ich zu ihr?
Wie kommt denn sie zu mir? Wär' ich kein Mann, die Sinne möchten mir vergehn.
Das ist ein seliger Augenblick, den will ich nie vergessen bis an meinen Tod.


Indessen stand die Livree Octavians rückwärts regungslos. Ebenso die Faninalschen Bedienten mit dem Haushofmeister. Der Lakai Octavians übergibt jetzt das Futteral an Marianne. Sophie schüttelt ihre Versunkenheit ab und reicht die Rose der Marianne, die sie ins Futteral schliesst. Der Lakai mit dem Hut tritt von rückwärts an Octavian heran und reicht ihm den Hut. Die Livree Octavians tritt ab, während gleichzeitig die Faninalschen Bedienten drei Stühle in die Mitte tragen, zwei für Octavian und Sophie, einen rück- und seitwärts für die Duenna. Zugleich trägt der Faninalsche Haushofmeister das Futteral mit der Rose durch die Tür rechts ab. Sofort treten auch die Faninalschen Bedienten durch die Mitteltür ab. Sophie und Octavian stehen einander gegenüber, einigermassen zur gemeinen Welt zurückgekehrt, aber befangen. Auf eine Handbewegung Sophies nehmen sie beide Platz, desgleichen die Duenna, im gleichen Augenblick, wo der Haushofmeister unsichtbar die Tür rechts von aussen zuschliesst.

SOPHIE
Ich kenn' Ihn schon recht wohl, mon Cousin!

OCTAVIAN
Sie kennt mich, ma Cousine?

SOPHIE
Ja, aus dem Buch, wo die Stammbäumer drin sind,
dem Ehrenspiegel Osterreichs.
Das nehm' Ich immer abends mit ins Bett und such' mir meine zukünft'ge,
gräflich' und fürstlich' Verwandtschaft drin zusammen.


OCTAVIAN
Tut Sie das, ma Cousine?

SOPHIE
Ich weiss, wie alt Euer Liebden sind:
Siebzehn Jahr' und zwei Monat.
Ich weiss all Ihre Taufnamen:
Octavian, Maria, Ehrenreich, Bonaventura, Fernand, Hyacinth.


OCTAVIAN
So gut weiss ich sie selber nicht einmal.

SOPHIE
Ich weiss noch was.
errötet

OCTAVIAN
Was weiss Sie noch, sag' Sie mir's, ma Cousine.

SOPHIE
ohne ihn anzusehen
Quinquin.

OCTAVIAN
lacht
Weiss Sie den Namen auch?

SOPHIE
So nennen Ihn halt seine guten Freunde und schöne Damen,
denk' ich mir, mit denen Er recht gut ist.
kleine Pause, mit Naivität
Ich freu' mich aufs Heiraten! Freut Er sich auch darauf ?
Oder hat Er leicht noch gar nicht dran gedacht, mon Cousin? Denk' Er:
Ist doch was andres als der ledige Stand.


OCTAVIAN
leise, während sie spricht!
Wie schön sie ist!

SOPHIE
Freilich, Er ist ein Mann, da ist Er, was Er bleibt.
Ich aber brauch' erst einen Mann, dass ich was bin.
Dafür bin ich dem Mann dann auch gar sehr verschuldet.


OCTAVIAN
wie oben
Mein Gott, wie schön und gut sie ist.
Sie macht mich ganz verwirrt.


SOPHIE
Ich werd' ihm keine Schand' nicht machen
und meinem Rang und Vortritt.
Täte eine, die sich besser dünkt als ich,
ihn mir bestreiten bei einer Kindstauf' oder Leich',
so will ich,
wenn es sein muss, mit Ohrfeigen ihr beweisen,
dass ich die Vornehmere bin und lieber alles hinnehme
wie Kränkung oder Ungebühr.


OCTAVIAN
lebhaft
Wie kann Sie denn nur denken,
dass man Ihr mit Ungebühr begegnen wird,
da Sie doch immer die Schönste,
die Allerschönste sein wird.


SOPHIE
Lacht Er mich aus, mon cousin?

OCTAVIAN
Wie, glaubt Sie das von mir?

SOPHIE
Er darf mich auslachen, wenn Er will.
Von Ihm lass ich alles mir gerne geschehn,
weil mir nie noch ein junger Kavalier von Nähe oder Weitem
also wohlgefallen hat wie Er.
Jetzt aber kommt mein Herr Zukünftiger.


Die Tür rückwärts geht auf. Alle drei erheben sich. Sophie und Marianne treten nach rechts. Octavian nach links vorne. Faninal führt den Baron zeremoniös über die Schwelle und auf Sophie zu, indem er ihm den Vortritt lässt. Die Lerchenausche Livree folgt auf Schritt und Tritt: zuerst der Almosenier mit dem Sohn und Leibkammerdiener. Dann folgt der Leibjäger mit einem ähnlichen Lümmel, der ein Pflaster über der eingeschlagenen Nase trägt, und noch zwei von der gleichen Sorte, vom Rübenacker her in die Livree gesteckt. Alle tragen wie ihr Herr Myrtensträusschen. Die zwei Faninalschen Boten bleiben im Hintergrunde.

FANINAL
Ich präsentiere Euer Gnaden Dero Zukünf tige.

BARON
macht die Reverenz, dann zu Faninal
Deliziös! Mach' Ihm mein Kompliment.
er küsst Sophie die Hand, gleichsam prüfend
Ein feines Handgelenk. Darauf halt' ich gar viel. Ist unter Bürgerlichen eine seltne Distinktion.


OCTAVIAN
halblaut
Es wird mir heiss und kalt.

FANINAL
Gestatten, dass ich die getreue Jungfer Marianne Leitmetzerin -
Marianne präsentierend, die dreimal tief knickst


BARON
indem er unwillig abwinkt
Lass Er das weg. Begrüss' Er jetzt mit mir meinen Herrn Rosenkavalier.

Er tritt mit Faninal auf Octavian zu, unter Reverenz, die Octavian erwidert. Das Lerchenausche Gefolge kommt endlich zum Stillstand, nachdem es Sophie fast umgestossen, und retiriert sich um ein paar Schritte nach rechts rückwärts.

SOPHIE
mit Marianne rechtsstehend, halblaut
Was sind das für Manieren?
Ist da leicht ein Rosstauscher und kommt ihm vor, er hätt' mich eingekauft?


MARIANNE
ebenso
Ein Kavalier hat halt ein ungezwungenes,
leutseliges Benehmen.
Sag' dir vor, wer er ist und zu was er dich macht,
so werden dir die Faxen gleich vergehn.


BARON
während des Aufführens zu Faninal
Ist gar zum Staunen, wie der junge Herr jemand Gewissem ähnlich sieht. Hat ein Bastardl, recht ein saubres, zur Schwester.
Plump vertraulich
Ist kein Geheimnis unter Personen von Stand. Hab's aus der Fürstin eignem Mund, und weil der Faninal sozusagen jetzo zu der Verwandtschaft gehört! Mach' dir keine Depit darum, Rofrano, dass dein Vater ein Streichmacher war, befindet sich dabei in guter Kompanie, der selge Marchese. Ich selber exkludier' mich nicht. Seh', Liebden, schau' dir dort den Langen an, den Blonden, hinten dort. Ich will ihn nicht mit Fingern weisen, aber er sticht wohl hervor durch eine adelige Kontenance. Ist aber ein ganz besonderer Kerl. Sagt nichts, weil ich der Vater bin, hat's aber faustdick hinter den Ohren.


SOPHIE
während dessen
Jetzt lässt er mich so stehn, der grobe Ding.
Und das ist mein Zukünftiger.
Und blattersteppig ist er auch, o mein Gott!


MARIANNE
Na, wenn er dir von vorn nicht gefallt,
du Jungfer Hochmut,
so schau' ihn dir von rückwärts an,
da wirst was sehn,
was dir schon gefallen wird.


SOPHIE
Möcht' wissen, was ich da schon sehen werd'.

MARIANNE
ihr nachspottend
Möcht' wissen, was ich da schon sehen werd.
Dass es ein kaiserlicher Kämmerer ist,
den dir dein Schutzpatron als Herrn Gemahl spendiert hat.
Das kannst sehn mit einem Blick.


Der Haushofmeister tritt verbindlich auf die Lerchenauschen Leute zu und führt sie ab. Desgleichen tritt die Faninalsche Livree ab bis auf zwei, welche Wein und Süssigkeiten servieren.

FANINAL
zum Baron
Belieben jetzt vielleicht? - ist ein alter Tokaier.
Octavian und Baron bedienen sich.

BARON
Brav, Faninal, Er weiss, was sich gehört. Serviert einen alten Tokaier zu einem jungen Mädel. Ich bin mit Ihm zufrieden.
zu Octavian
Musst denen Bagatelladeligen immer zeigen, dass nicht für unsresgleichen sich ansehen dürfen, muss immer was von Herablassung dabei sein.


OCTAVIAN
spitzig
Ich muss deine Liebden sehr bewundern.
Hast wahrhaft grosse Weltmanieren.
Könntst einen Ambassadeur vorstellen heut oder morgen.


BARON
derb
Ich hol'mir jetzt das Mädel her.
Soll uns jetzt Konversation vormachen,
damit ich seh', wie sie beschlagen ist.

geht hinüber, nimmt Sophie bei der Hand, führt sie mit sich

BARON
Eh bien! Nun plauder' Sie uns eins, mir und dem Vetter Taverl. Sag' Sie heraus, auf was Sie sich halt in der Eh' am meisten freut.
setzt sich, will sie halb auf seinen Schoss ziehen

SOPHIE
entzieht sich ihm
Wo denkt Er hin?

BARON
behaglich
Pah! Wo ich hindenk'!
Komm' Sie da ganz nah zu mir,
dann will ich Ihr erzählen, wo ich hindenk'.

gleiches Spiel, Sophie entzieht sich ihm heftiger

BARON
behaglich
Wär' Ihr leicht präferabel, dass man gegen Ihrer den Zeromonienmeister sollt' hervortun? Mit »mille pardons« und »devotion« und »Geh da weg« und »hab Respekt«?

SOPHIE
Wahrhaftig und ja gefiele mir das besser!

BARON
lachend
Mir auch nicht! Da sieht Sie!
Mir auch ganz und gar nicht!
Bin einer biedern offenherzigen Galanterie recht zugetan.


FANINAL
nachdem er Octavian den zweiten Stuhl angeboten hat, den dieser ablehnt, für sich
Wie ist mir denn!
Da sitzt ein Lerchenau und karessiert in Ehrbarkeit mein Sopherl,
als wär' sie ihm schon angetraut.
Und da steht ein Rofrano, grad' als müsst's so sein -
ein Graf Rofrano, sonsten nix -
der Bruder vom Marchese Obersttruchsess.


OCTAVIAN
zornig für sich
Das ist ein Kerl,
dem möcht' ich wo begegnen mit meinem Degen da,
wo ihn kein Wächter schreien hört.
ja, das ist alles, was ich möcht'.


SOPHIE
zum Baron
Ei, lass Er doch, wir sind nicht so vertraut!

BARON
zu Sophie
Geniert Sie sich leicht vor dem Vetter Taverl?
Da hat Sie unrecht.
Hör Sie, in Paris, wo doch die hohe Schul' ist für Manieren,
gibts frei nichts, was unter jungen Eheleuten geschieht,
wozu man nicht Einladungen liess ergehen zum Zuschauen,
ja an den König selber.
Er wird immer zärtlicher,
sie weiss sich kaum zu helfen.


FANINAL
für sich
Wär' nur die Mauer da von Glas,
dass alle bürgerlichen Neidhammel von Wien uns könnten
so en famille beisammen so sitzen sehn!
Dafür wollt' ich mein Lerchenfelder Eckhaus geben, meiner Seel!


OCTAVIAN
wütend
Dass ich das Mannsbild sehen muss,
so frech, so unverschämt mit ihr.
Könnt' ich hinaus und fort von hier!


BARON
zu Sophie
Lass Sie die Flausen nur!
Gehört doch jetzo mir! Geht all's recht! Sei Sie gut!
Geht alles so wie am Schnürl!
halb für sich, sie kajolierend
Ganz meine Massen! Schultern wie ein Henderl!
Hundsmager noch - das macht nichts,
aber weiss mit einem Glanz darauf,
wie ich ihn ästimier'!
Ich hab' halt ja ein lerchenauisch Glück!


SOPHIE
reisst sich los und stampft auf

BARON
vergnügt
Ist Sie ein rechter Kapricenschädel.
auf und ihr nach
Steigt Ihr das Blut gar in die Wangen,
dass man sich die Hand verbrennt?


SOPHIE
rot und blass vor Zorn
Lass Er die Hand davon!


OCTAVIAN
in stummer Wut, zerdrückt das Glas, das er in der Hand hält, und schmeisst die Scherben zu Boden

MARIANNE
läuft mit Grazie zu Octavian hinüber, hebt die Scherben auf und raunt ihm mit Entzücken zu
Ist recht ein familiärer Mann, der Herr Baron!
Man delektiert sich, was er all's für Einfälle hat, der Herr Baron!


BARON
dicht bei Sophie
Geht mir nichts darüber!
Könnt' mich mit Schmachterei und Zärtlichkeit
nicht halb so glücklich machen, meiner Seel'!


SOPHIE
scharf, ihm ins Gesicht
Ich denk' nicht dran, dass ich Ihn glücklich mach'!

BARON
gemütlich
Sie wird es tun, ob Sie daran wird denken oder nicht.

OCTAVIAN
für sich, blass vor Zorn
Hinaus! Hinaus! und kein Adieu!
Sonst steh' ich nicht dafür, dass ich nicht was Verwirrtes tu'!
Hinaus aus diesen Stuben! Nur hinaus!


Indessen ist der Notar mit dem Schreiber eingetreten, eingeführt durch Faninals Haushofmeister. Dieser meldet ihn dem Herrn von Faninal leise,- Faninal geht zum Notar nach rückwärts hin, spricht mit ihm und sieht einen vom Schreiber vorgehaltenen Aktenfaszikel durch.

SOPHIE
zwischen den Zähnen
Hat nie kein Mann dergleichen Reden nicht zu mir geführt!
Möcht' wissen, was Ihm dünkt von mir und Ihm?
Was ist Er denn zu mir?


BARON
gemütlich
Wird kommen über Nacht,
dass Sie ganz sanft wird wissen, was ich bin zu Ihr.
Ganz wie's im Liedel heisst - kennt Sie das Liedel?
Lalalalala -
recht gefühlvoll
Wie ich dein alles werde sein!
Mit mir, mit mir keine Kammer dir zu klein,
ohne mich, ohne mich j eder Tag dir so bang,
frech und plump
mit mir, mit mir keine Nacht dir zu lang?


SOPHIE
da er sie fester an sich drückt,
reisst sich los und stösst ihn heftig zurück


MARIANNE
zu ihr eilend
Ist recht ein familiärer Mann, der Herr Baron!
Man delektiert sich, was er all's für Einfäll' hat!
krampfhaft in Sophie hineinredend
Was er all's für Einfäll' hat, der Herr Baron!


OCTAVIAN
ohne hinzusehen, und doch sieht er alles, was vorgeht
Ich steh' auf glüh'nden Kohlen! Ich fahr' aus meiner Haut! Ich büss' in dieser einen Stund' all meine Sünden ab!

BARON
für sich, sehr vergnügt
Wahrhaftig und ja,
ich hab' halt ein lerchenauisch Glück!
Gibt gar nichts auf der Welt,
was mich so enflammiert und also vehement verjüngt als
wie ein rechter Trotz!
sowie er den Notar erblickt, eifrig zu Sophie,
ohne zu ahnen, was in ihr vorgeht
Dort gibt's Geschäfte jetzt,
muss mich dispensieren:
bin dort von Wichtigkeit.
Indessen der Vetter Taverl leistet Ihr Gesellschaft!


FANINAL
Wenn es jetzt belieben tät', Herr Schwiegersohn!

BARON
eifrig
Natürlich wird's belieben.
im Vorbeigehen zu Octavian, den er vertraulich anfasst
Hab' nichts dawider, wenn du ihr möchtest Äugerl machen, Vetter, jetzt oder künftighin. Ist noch ein rechter Rühr-nicht-an. Betracht's als förderlich, je mehr sie degourdiert wird. Ist wie bei einem jungen ungerittenen Pferd. Kommt all's dem Angetrauten letzterdings zugut', wofern er sein eh'lich Privilegium zunutz zu machen weiss.


Er geht nach links. Der Diener, der den Notar einliess, hat indessen die Türe links geöffnet. Faninal und der Notar schicken sich an, hineinzugehen. Der Baron misst Faninal mit dem Blick und bedeutet ihm, drei Schritte Distanz zu nehmen. Faninal tritt devot zurück. Der Baron nimmt den Vortritt, vergewissert sich, dass Faninal drei Schritte Abstand hat und geht gravitätisch durch die Tür links ab. Faninal hinter ihm, dann der Notar, dann der Schreiber. Der Bediente schliesst die Tür links und geht ab, lässt aber die Flügeltüre nach dem Vorsaal offen. Der servierende Diener ist schon früher abgegangen.

SOPHIE
rechts, steht verwirrt und beschämt

MARIANNE
neben ihr, knickst nach der Türe hin, bis sie sich schliesst

OCTAVIAN
mit einem Blick hinter sich, gewiss zu sein, dass die anderen abgegangen sind, tritt schnell zu Sophie hinüber, bebend vor Aufregung
Wird Sie das Mannsbild da heiraten, ma cousine?

SOPHIE
einen Schritt auf ihn zu,
leise Nicht um die Welt!
mit einem Blick auf die Duenna
Mein Gott, wär' ich allein mit Ihm, dass ich Ihn bitten könnt'!
dass ich Ihn bitten könnt'!


OCTAVIAN
halblaut, schnell
Was ist's, das Sie mich bitten möcht'? Sag Sie mir's schnell!

SOPHIE
noch einen Schritt näher zu ihm
O mein Gott, dass Er mir halt hilft!
Und Er wird mir nicht helfen wollen,
weil es halt sein Vetter ist.


OCTAVIAN
heftig
Nenn ihn Vetter aus Höflichkeit;
Gott sei Lob und Dank,
hab' ihn im Leben vor dem gestrigen Tage nie gesehen!


Quer durch den Vorsaal flüchten einige von den Mägden des Hauses, denen die Lerchenauschen Bedienten auf den Fersen sind. Der Leiblakai und der mit dem Pflaster auf der Nase jagen einem hübschen jungen Mädchen nach und bringen sie fast an der Schwelle zum Salon bedenklich in die Enge.

DER FANINALSCHE HAUSHOFMEISTER
kommt verstört hereingelaufen
Die Lerchenauischen sind voller Branntwein gesoffen und gehn aufs Gesinde los zwanzigmal ärger als Türken und Kroaten!

MARIANNE
Hol' Er von unseren Leuten, wo sind denn die?
Läuft ab mit dem Haushofmeister,
sie entreissen den beiden Zudringlichen ihre Beute und führen das Mädchen ab;
alles verliert sich, der Vorsaal bleibt leer.


SOPHIE
nun, da sie unbeobachtet ist, mit freier Stimme
Zu Ihm hätt' ich ein Zutrau'n, mon cousin, so wie zu niemand auf der Welt,
dass Er mir könnte helfen, wenn Er nur den guten Willen hätt!


OCTAVIAN
Erst muss Sie sich selber helfen, dann hilf ich Ihr auch.
Tu' Sie das erst für sich, dann tu' ich was für Sie!


SOPHIE
zutraulich, fast zärtlich
Was ist denn das, was ich zuerst muss tun?

OCTAVIAN
leise
Das wird Sie wohl wissen!

SOPHIE
den Blick unverwandt auf ihn
Und was ist das, was Er für mich will tun?
Nun sag' Er mir's!


OCTAVIAN
entschlossen
Nun muss Sie ganz allein für uns zwei einstehn!

SOPHIE
Wie? Für uns zwei? O sag Er's noch einmal.

OCTAVIAN
leise
Für uns zwei!

SOPHIE
mit hingegebenem Entzücken
Ich hab' im Leben so was Schönes nicht gehört!

OCTAVIAN
stärker
Für sich und mich muss Sie sich wehren und bleiben -

SOPHIE
Bleiben?

OCTAVIAN
Was Sie ist.

SOPHIE
nimmt seine Hand, beugt sich darüber,
küsst sie schnell, eh er sie ihr entziehen kann,
er küsst sie auf den Mund


OCTAVIAN
indem er sie, die sich an ihn schmiegt, in den Armen hält, zärtlich
Mit Ihren Augen voll Tränen kommt Sie zu mir,
damit Sie sich beklagt.
Vor Angst muss Sie an mich sich lehnen, Ihr armes Herz ist ganz verzagt.
Und ich muss jetzt als Ihren Freund mich zeigen und weiss noch gar nicht, wie!
Mir ist so selig, so eigen, dass ich dich halten darf;
Gib Antwort, aber gib sie mit Schweigen:
Bist du von selber so zu mir gekommen? ja oder nein? ja oder nein?
Du musst es nicht mit Worten sagen - Hast du es gern getan?
Sag, oder nur aus Not?
Nur aus Not so alles zu mir hergetragen, dein Herz, dein liebliches Gesicht?
Sag', ist dir nicht, dass irgendwo in irgendeinem schönen Traum das einmal schon so war?
Spürst du's wie ich? Sag'; spürst du's so wie ich?
Mein Herz und Seel' wird bei Ihr bleiben,
wo Sie geht und steht, bis in alle Ewigkeit.


SOPHIE
gleichzeitig zu ihm
Ich möchte mich bei Ihm verstecken
und nichts mehr wissen von der Welt.
Wenn Er mich so in Seinen Armen hält,
kann mich nichts Hässliches erschrecken.
Da bleiben möcht' ich, da! Und schweigen, und was mir auch gescheh',
geborgen wie der Vogel in den Zweigen, stillstehn und spüren:
Er ist in der Näh'!
Mir müsste angst und bang im Herzen sein,
statt dessen fühl' ich nur Freud' und Seligkeit und keine Pein,
ich könnt' es nicht mit Worten sagen!
Hab' ich was Unrechtes getan? Ich war halt in der Not!
Da war Er mir nah! Da war es Sein Gesicht,
Sein' Augen jung und licht, auf das ich mich gericht,
Sein liebes Gesicht, und seitdem weiss ich halt nichts mehr von mir.
Bleib du nur bei mir, o bleib bei mir. -
Er muss mir Seinen Schutz vergönnen, was Er will, werd' ich können;
bleib' Er nur bei mir. Er muss mir Seinen Schutz vergönnen -


Aus den Türen in den rückwärtigen Ecken sind links Valzacchi, rechts Annina lautlos spähend herausgeglitten.
Lautlos schleichen sie, langsam, auf den Zehen näher.
Octavian zieht Sophie an sich, küsst sie auf den Mund;
in diesem Augenblick sind die Italiener dicht hinter ihnen,
ducken sich hinter den Lehnsesseln; jetzt springen sie vor,
Annina packt Sophie, Valzacchi fasst Octavian.

VALZACCHI UND ANNINA
zu zweien schreiend
Herr Baron von Lerchenau! - Herr Baron von Lerchenau! -

OCTAVIAN
springt zur Seite nach links

VALZACCHI
der Mühe hat ' ihn zu halten, atemlos zu Annina
Lauf und 'ole Seine Gnade!
Snell, nur snell, ik muss 'alten diese 'err!


ANNINA
Lass ich die Fräulein aus, lauft sie mir weg!

ZU ZWEIEN
Herr Baron von Lerchenau, Herr Baron von Lerchenau! Komm' zu sehn die Fräulein Braut! MiteinejungeKavalier! Kommen eilig, kommen hier! Ecco!

Baron tritt aus der Tür links. Die Italiener lassen ihre Opfer los, springen zur Seite, verneigen sich vor dem Baron mit vielsagender Gebärde.

SOPHIE
schmiegt sich ängstlich an Octavian

BARON
die Arme über die Brust gekreuzt, betrachtet sich die Gruppe. Unheilschwangere Pause
Eh bien, Mamsell, was hat Sie mir zu sagen?

SOPHIE
schweigt

BARON
der durchaus nicht ausser Fassung ist
Nun, resolvier' Sie sich!

SOPHIE
Mein Gott, was soll ich sagen,
Er wird mich nicht verstehn!


BARON
gemütlich
Das werden wir ja sehn!

OCTAVIAN
einen Schritt auf den Baron zu
Eu'r Liebden muss ich halt vermelden,
dass sich in Seiner Angelegenheit was Wichtiges verändert hat!


BARON
gemütlich
Verändert? Ei, nicht dass ich wüsst't

OCTAVIAN
Darum soll Er es jetzt erfahren! Die Fräulein -

BARON
Ei, Er ist nicht faul!
Er weiss zu profitieren, mit Seine siebzehn Jahr'!
Ich muss Ihm gratulieren!


OCTAVIAN
Die Fräulein -

BARON
halb zu sich
Ist mir ordentlich, ich seh' mich selber!
Muss lachen über den Filou, den pudeljungen.


OCTAVIAN
Die Fräulein -

BARON
Ei! Sie ist wohl stumm und hat Ihn angestellt für ihren Advokaten!

OCTAVIAN
Die Fräulein -
Er hält abermals inne, wie um Sophie sprechen zu lassen.


SOPHIE
angstvoll
Nein! Nein! Ich bring' den Mund nicht auf. Sprech' Er für mich!

OCTAVIAN
entschlossen
Die Fräulein -

BARON
ihm nachspottend
Die Fräulein, die Fräulein! Die Fräulein! Die Fräulein!
Ist eine Kreuzerkomödi wahrhaftig! jetzt echappier'
Er sich, sonst reisst mir die Geduld.


OCTAVIAN
sehr bestimmt
Die Fräulein, kurz und gut, die Fräulein mag Ihn nicht.

BARON
gemütlich
Sei Er da ausser Sorg'.
Wird schon lernen mich mögen.
auf Sophie zu
Komm' Sie da jetzt hinein:
wird gleich an Ihrer sein,
die Unterschrift zu geben.


SOPHIE
zurücktretend
Um keinen Preis geh' ich an Seiner Hand hinein!
Wie kann ein Kavalier so ohne Zartheit sein!


OCTAVIAN
jetzt zwischen den beiden anderen und der Tür links sehr scharf
Versteht Er deutsch: das Fräulein hat sich resolviert.
Sie will Euer Gnaden ungeheirat' lassen in Zeit und Ewigkeitl


BARON
mit der Miene eines Mannes, der es eilig hat
Mancari! Jungfernred' ist nicht gehaun und nicht gestochen! Verlaub' Sie jetzt!
nimmt sie bei der Hand

OCTAVIAN
sich breit vor die Tür stellend
Wenn nur so viel in Ihm ist von einem Kavalier,
so wird Ihm wohl genügen,
was Er g'hört hat von mir!


BARON
tut, als hörte er ihn nicht, zu Sophie
Gratulier' Sie sich nur, dass ich ein Aug' zudrück'! Daran mag Sie erkennen, was ein Kavalier ist!
Er macht Miene, mit ihr an Octavian vorbeizukommen.

OCTAVIAN
schlägt an seinen Degen
Wird doch wohl ein Mittel geben, Seinesgleichen zu bedeuten!

BARON
der Sophie nicht loslässt, sie jetzt vorschiebt gegen die Tür
Ei schwerlich, wüsste nicht!

OCTAVIAN
losbrechend
Ich acht' Ihn mit nichten für einen Kavalier!

BARON
mit Grandezza
Wahrhaftig wüsst'ich nicht, dass Er mich respektiert, und wär'Er nicht verwandt, es wär' mir jetzo schwer, dass ich mit Ihm nicht übereinander käm'!
Er macht Miene, Sophie mit scheinbarer Unbef angenheit gegen die Mitteltür zu führen, nachdem ihm die Italiener lebhafte Zeichen gegeben haben, diesen Weg zu nehmen.
Komm' Sie! Gehn zum Herrn Vater dort hinüber! Ist bereits der nähere Weg!


OCTAVIAN
Ich hoff', Er kommt vielmehr jetzt mit mir hinters Haus,
ist dort ein recht bequemer Garten.


BARON
setzt seinen Weg fort, mit gespielter Unbefangenheit Sophie an der Hand nach jener Richtung zu führen bestrebt, über die Schulter zurück
Bewahre.
Wär' mir jetzo nicht genehm.
Lass um all's den Notari nicht warten.
Wär' gar ein Affront für die Jungfer Braut!


OCTAVIAN
fasst ihn am Ärmel
Beim Satan, Er hat eine dicke Haut! Auch dort die Tür passiert Er mir nicht! Ich schrei's Ihm jetzt in. Sein Gesicht: ich acht' Ihn für einen Filou, einen Mitgiftjäger, einen durchtriebenen Lügner und schmutzigen Bauer, einen Kerl ohne Anstand und Ehr'! Und wenn's sein muss, geb' ich Ihm auf dem Fleck die Lehr'!

SOPHIE
hat sich vom Baron losgerissen und ist hinter Octavian zurückgesprungen. Sie stehen links, ziemlich vor der Tür.

BARON
steckt zwei Finger in den Mund und tut einen gellenden Pfiff. Dann:
Was so ein Bub' in Wien mit siebzehn Jahr schon für ein vorlaut Mundwerk hat!
Er sieht sich nach der Mitteltür um.
Doch Gott sei Lob, man kennt in hiesiger Stadt den Mann,
der vor Ihm steht, halt bis hinauf zu kaiserlicher Majestät!
Man ist halt, was man ist, und braucht's nicht zu beweisen.
Das lass Er sich gesagt sein und geb' mir den Weg da frei.
Die Lerchenausche Livree ist vollzählig in der Mitteltür aufmarschiert;
er vergewissert sich dessen durch einen Blick nach rückwärts.
Er rückt jetzt gegen die beiden vor, entschlossen,
sich Sophiens und des Ausgangs zu bemächtigen.
Wär' mir wahrhaftig leid, wenn meine Leut' da hinten -


OCTAVIAN
wütend
Ah, untersteh' Er sich, Seine Bedienten hineinzumischen in. unsern Streit! Jetzt zieh' Er oder gnad' Ihm Gott!
er zieht

Die Lerchenauschen, die schon einige Schritte vorgerückt waren, werden durch diesen Anblick einigermassen unschlüssig und stellen ihren Vormarsch ein.


BARON
tut einen Schritt, sich Sophiens zu bemächtigen

OCTAVIAN
schreit ihn an
Zum Satan, zieh' Er oder ich stech' Ihn nieder!

SOPHIE
Ach Gott, was wird denn jetzt geschehn?

BARON
retiriert etwas
Vor einer Dame, pfui!
So sei Er doch gescheit!


OCTAVIAN
fährt wütend auf ihn los

BARON
zieht, fällt ungeschickt aus und hat schon die Spitze von Octavians Degen im Oberarm.
Die Lerchenauschen stürzen vor.

BARON
indem er den Degen fallen lässt
Mord! Mord! Mein Blut!
Zu Hilfe! Mörder! Mörder! Mörder!


Die Diener stürzen alle zugleich auf Octavian los. Dieser springt nach rechts hinüber und hält sie sich vom Leib, indem er seinen Degen blitzschnell um sich kreisen lässt. Der Almosenier, Valzacchi und Annina eilen auf den Baron zu, den sie stützen und auf einen der Stühle in der Mitte niederlassen.

BARON
von ihnen umgeben und dem Publikum verstellt
Ich hab' ein hitzig' Blut!
Um Ärzt', um Leinwand! Verband her! Um Polizei!
Ich verblut' mich auf eins, zwei, drei! Aufhalten den!
Um Polizei! Um Polizei!


DIE LERCHENAUSCHEN
indem sie mit mehr Ostentation als Entschlossenheit auf Octavian eindringen
Den haut's z'samm! den haut's z'samml Spinnweb'her! Feuerschwamm!
Reisst's ihm den Spadi weg! Schlagt's ihn tot auf'm Fleck!

Die sämtliche Faninalsche Dienerschaft, auch das weibliche Hausgesinde, Küchenpersonal, Stallpagen sind zur Mitteltür hereingeströmt.

ANNINA
auf sie zu, haranguierend
Der junge Kavalier und die Fräulein Braut, versteht's?
waren im Geheimen schon recht vertraut, versteht's?


Valzacchi und der Almosenier ziehen dem Baron, der fortwährend stöhnt, seinen Rock aus.

DIE FANINALSCHE DIENERSCHAFT
G'stochen is einer? Wer? Der dort? Der fremde Herr? Welcher? der Bräutigam? Packt's den Duellant z'samm! Welcher is der Duellant? Der dort im weissen G'wand! Wer? Der Rosenkavalier?
Wegen was denn? Wegen ihr! Angepackt! Ni.ederg'haut! Wegen der Braut? Wegen der Liebschaft! Wütender Hass is! Schaufs nur die Fräulein an, Schaut's, wie sie blass is'!

MARIANNE
bahnt sich den Weg, auf den Baron zu; alle umgeben den Baron in dichten Gruppen
So ein fescher Herr!
So ein gross Malheur!
So ein schwerer Schlag!
So ein Unglückstag!


OCTAVIAN
indem er sich seine Angreifer vom Leibe hält
Wer mir zu nah kommt, der lernt beten!
Was da passiert ist, kann ich vertreten!


SOPHIE
links vorn
Alles geht durcheinand'!
Furchtbar war's, wie ein Blitz, wie er's erzwungen hat!
Ich spür' nur seine Hand, die mich umschlungen hat!
Ich verspür' nichts von Angst,
ich verspür nichts von Schmerz, nur das Feuer,
seinen Blick durch und durch, bis ins Herz!


DIE LERCHENAUSCHEN
haben von Octavian abgelassen und gehen auf die ihnen zunächst stehenden Mägde handgreiflich los
Leinwand her! Verband machen! Fetzen aus'm Gewand machen! Vorwärts, keine Spanponaden! Leinwand her für Seine Gnaden!

SOPHIE
Octavian verzweifelt zurufend
Liebster!

OCTAVIAN
Sophie verzweifelt zurufend
Liebste!

Die Lerchenauschen machen Miene, sich zu diesem Zweck der Hemden der jüngeren und hübscheren Mägde zu bemächtigen. Handgemenge, bis Faninal beginnt. In diesem Augenblick kommt die Duenna, die fortgestürzt war, zurück, atemlos, beladen mit Leinwand; hinter ihr zwei Mägde mit Schwamm und Wasserbecken. Sie umgeben den Baron mit eifriger Hilfeleistung. Faninal kommt zur Türe links hereingestürzt, hinter ihm der Notar und der Schreiber, die in der Tür ängstlich stehenbleiben.

BARON
man hört seine Stimme, ohne viel von ihm zu sehen
Ich kann ein jedes Blut mit Ruhe fliessen sehen,
nur bloss das meinig' nicht! Oh! Oh!
die Duenna anschreiend
So tu' Sie doch was G'scheit's,
so rett' Sie doch mein Leben!
Oh! Oh!



Sophie ist, wie sie ihres Vaters ansichtig wird, nach rechts vorne hingelaufen, steht neben Octavian, der nun seinen Degen einsteckt.

ANNINA
knicksend und eifrig zu Faninal links vorne
Der junge Kavalier und die Fräulein Braut, Gnaden,
waren im Geheimen schon recht vertraut, Gnaden!
Wir voller Eifer für'n Herrn Baron, Gnaden,
haben sie betreten in aller Devotion, Gnaden!


MARIANNE
um den Baron beschäftigt
So ein fescher Herr!
So ein gross' Malheur,
so ein schwerer Schlag,
so ein Unglückstag!


FANINAL
anfangs sprachlos, schlägt nun die Hände überm Kopf zusammen und bricht aus
Herr Schwiegersohn! Wie ist Ihm denn? mein Herr und Heiland! Dass Ihm in mein' Palais das hat passieren müssen! Gelaufen um den Medikus! Geflogen! Meine zehn teuren Pferd' zu Tod gehetzt! ja hat denn niemand von meiner Livree dazwischenfahren mögen! Füttr' ich dafür ein Schock baumlange Lackeln, dass mir solche Schand' passieren muss in meinem neuchen Stadtpalais!
gegen Octavian hin
Hätt' wohl von Euer Liebden eines andern Anstands mich versehn!

BARON
stöhnend
Oh! Ohl

FANINAL
abermals zu ihm hin
Oh! um das schöne freiherrliche Blut, was auf den Boden rinnt! O pfui! So eine ordinäre Metzgerei!

BARON
Hab' halt so ein jung und hitzig Blut, ist nicht zum Stillen! Oh!

FANINAL
auf Octavian losgehend, verbissen
War mir von Euer Liebden hochgräflichen Gegenwart allhier wahrhaftig einer andern Freud' gewärtig!

OCTAVIAN
höflich
Er muss mich pardonnieren.
Bin ausser Massen sehr betrübt über den Vorfall.
Bin aber ausser Schuld.
Zu einer mehr gelegenen Zeit erfahren Euer Liebden
wohl den Hergang aus Ihrer Fräulein Tochter Mund.


FANINAL
sich mühsam beherrschend
Da möcht' ich recht sehr bitten!

SOPHIE
entschlossen
Wie Sie befehlen, Vater.
Werd' Ihnen alles sagen.
Der Herr dort hat sich nicht so, wie er sollt', betragen.


FANINAL
zornig
Ei, von wem red't Sie da? Von Ihrem Herrn Zukünft'gen? Ich will nicht hoffen, wär' mir keine Manier.

SOPHIE
ruhig
Ist nicht der Fall. Seh' ihn mit nichten an dafür.

Der Arzt kommt, wird sogleich zum Baron geführt.

FANINAL
immer zorniger
Sieht ihn nicht an?

SOPHIE
Nicht mehr.
Bitt' Sie dafür um gnädigen Pardon.


FANINAL
zuerst dumpf vor sich hin
Sieht ihn nicht an. Nicht mehr. Mich um Pardon. Liegt dort gestochen
höhnisch
Steht bei ihr. Der Junge.
ausbrechend
Blamage. Mir auseinander meine Eh', alle Neidhammeln von der Wieden und der Leimgrub'n auf! in der Höh! Der Medikus! Stirbt mir womöglich.
auf Sophie zu in höchster Wut
Sie heirat' ihn!
auf Octavian, indem der Respekt vor dem Grafen Rofrano seine Grobheit zu einer knirschenden Höflichkeit herabdämpft
Möcht Euer Liebden recht in aller Devotion gebeten haben, schleunig sich von hier zu retirieren und nimmer wieder zu erscheinen!
zu Sophie
Hör' Sie mich! Sie heirat' ihn! Und wenn er sich verbluten tät', so heirat' Sie ihn als Toter!

Der Arzt zeigt durch eine beruhigende Gebärde, dass der Verwundete sich in keiner Gefahr befindet. Octavian sucht nach seinem Hut, der unter die Füsse der Dienerschaft geraten war. Eine Magd überreicht ihm knicksend den Hut. Faninal macht Octavian eine Verbeugung, übertrieben höflich, aber unzweideutig. Octavian muss wohl gehen, möchte aber gar züi gerne Sophie noch ein Wort sagen. Er erwidert zunächst Faninals Verbeugung durch ein gleich tiefes Kompliment.

SOPHIE
beeilt sich das Folgende noch zu sagen, so lange Octavian es hören kann. Mit einer Reverenz
Heirat' den Herrn dort nicht lebendig und nicht tot!
Sperr' mich zuvor in meine Kammer ein!


FANINAL
in Wut, und nachdem er abermals eine wütende Verbeugung gegen Octavian gemacht hat, die Octavian prompt erwidert
Ah! Sperrst dich ein. Sind Leut' genug im Haus, die dich in Wagen tragen werden.

SOPHIE
Spring' aus dem Wagen noch, der mich zur Kirche führt!

FANINAL
mit dem gleichen Spiel zwischen ihr und Octavian, der immer einen Schritt gegen den Ausgang tut, aber von Sophie in diesem Augenblick nicht los kann
Ah! Springst noch aus dem Wagen! Na, ich sitz' neben dir und werde dich schon halten!

SOPHIE
mit einem neuen Knicks
Geb' halt dem Pfarrer am Altar Nein anstatt ja zur Antwort!

Der Haushofmeister indessen macht die Leute abtreten. Die Bühne leert sich. Nur die Lerchenauschen Leute bleiben bei ihrem Herrn zurück.

FANINAL
mit gleichem Spiel
Ah! Gibst Nein anstatt ja zur Antwort. Ich steck'dich in ein Kloster stante pede! Marsch! Mir aus meinen Augen! Lieber heut als morgen! Auf Lebenszeit!

SOPHIE
erschrocken
Ich bitt' Sie um Pardon!
Bin doch kein schlechtes Kind! Vergeben Sie mir nur dies eine Mal!


FANINAL
hält sich in Wut die Ohren zu
Auf Lebenszeit! Auf Lebenszeit!

OCTAVIAN
schnell, halblaut
Sei Sie nur ruhig, Liebste, um alles! Sie hört von mir 1

Duenna stösst Octavian, sich zu entfernen.

FANINAL
Auf Lebenszeit!

DUENNA
zieht Sophie mit sich
So geh' doch nur dem Vater aus den Augen!
zieht sie zur Türe hinaus, schliesst die Tür

FANINAL
eilt dem Baron entgegen
Bin überglücklich! Muss Euer Liebden embrassieren!

BARON
dem bei der Umarmung der Arm wehgetan
Oh! Oh! Jesus, Marial

FANINAL
nach rechts hin in neuer Wut
Luderei! Ins Kloster!
nach der Mitteltür
Ein Gefängnis! Auf Lebenszeit!

BARON
Is gut! Is gut! Ein Schluck von was zu trinken!

FANINAL
Ein Wein? Ein Bier? Ein Hippokras mit Ingwer?

DER ARZT
macht eine ängstlich abwehrende Bewegung

FANINAL
jammernd
So einen Herrn zurichten miserabel! In meinem Stadtpalais! Sie heirat' ihn um desto früher! Bin Manns genug'.

BARON
matt
Is gut, is gut!

FANINAL
nach der Tür links, in aufflammender Wut
Bin Manns genug!
zum Baron
Küss' Ihm die Hand für Seine Güt' und Nachsicht. Gehört all's Ihm im Haus. Ich lauf' - ich bring' Ihm -
nach links
ein Kloster ist zu gut!
zum Baron
Sei'n ausser Sorg'.
sehr devot
Weiss, was ich Satisfaktion Ihm schuldig bin.
Geht schnell ab. Desgleichen gehen Duenna und Mägde ab. Die beiden Italiener sind schon während des Obigen fortgeschlichen.

BARON
halb aufgerichtet
Da lieg'ich!
Was einem Kavalier nit all's passieren kann in dieser Wiener Stadt!
Wär' nicht mein Gusto hier -
da ist eins gar zu sehr in Gottes Hand,
wär' lieber daheim!


Ein Diener ist aufgetreten, eine Kanne Weines zu servieren.

BARON
will trinken, da macht er eine Bewegung, die ihm Schmerzen verursacht
Oh! Oh! Der Satan! Oh! Oh! Sakermentsverfluchter Bub', nit trocken hinterm Ohr und fuchtelt mit 'n Spadi!
in immer grösserer Wut
Wällischer Hundsbub' das! Dich sollt' ich nur erwischen.
In Hundezwinger sperr' ich dich ein,
bei meiner Seel', in Hühnerstall!
In Schweinekofen! Tät'dich kuranzen!
Sollst alle Engel singen hör'n!
zu dem Faninalschen Diener
Schenk' Er nur ein da, schnell!


DIE LERCHENAUSCHEN
gedämpft
Wenn ich dich erwisch', du liegst unterm Tisch.
Wart, dich richt' ich zu, wällischer Filou!

Der Arzt schenkt ihm ein und präsentiert den Becher.

BARON
nachdem er getrunken, in allmählich besserer Laune
Und doch, muss lachen,
wie sich so ein Loder mit seinen siebzehn Jahr die Welt imaginiert:
meint, Gott weiss wie er mich kontreveniert. Haha!
Umgekehrt ist auch gefahren!
Möcht' um all's nicht, dass ich dem Mädel -
sein rebellisch Aufbegehren nicht verspüret hätt'!
immer gemütlicher
Gibt auf der Welt nichts,
was mich so enflammiert und also vehement verjüngt
als wie ein rechter Trotz.


DIE LERCHENAUSCHEN
gedämpft
Wart', dich hau' i z'samm, wälfischer Filou! Wart', dich hau' i z'samm, dass dich Gott verdamm'!

BARON
zum Arzt gewandt
Herr Medicus, verfüg' Er sich voraus!
Mach'Er dasBett aus lauterFederbetten. Ich komm'.
Erst aber trink' ich noch. Marschier' Er nur indessen.


Der Arzt geht ab mit dem Leiblakai. Annina ist durch den Vorsaal hereingekommen und schleicht sich verstohlen heran, einen Brief in der Hand.

BARON
vor sich leise, den zweiten Becher leerend
Ein Federbett. Zwei Stunden noch zu Tisch.
Werd' Zeitlang haben.
»Ohne mich, ohne mich, jeder Tag dir so bang,
mit mir, mit mir keine Nacht dir zu lang. «


Annina stellt sich so, dass der Baron sie sehen muss
und winkt ihm geheimnisvoll mit dem Brief.

BARON
Für mich?

ANNINA
näher
Von der Bewussten.

BARON
Wer soll damit gemeint sein?

ANNTNA
ganz nahe
Nur eigenhändig, insgeheim zu übergeben.

BARON
Luft da!
Die Diener treten zurück,
nehmen den Faninalschen ohne weiteres die Weinkanne ab
und trinken sie leer.
Zeig' Sie den Wisch!
reisst mit der Linken den Brief auf.
Versucht ihn zu lesen,
indem er ihn sehr weit von sich weghält.
Such' Sie in meiner Tasch meine Brillen.
misstrauisch, da sie sich dazu anschickt
Nein! Such' Sie nicht!
Kann Sie Geschriebenes lesen? Da.


ANNINA
nimmt und liest
»Herr Kavalier!
Den morgigen Abend hätt' i frei.
Sie ham mir schon g'fall'n,
nur g'schamt hab' i mi vor der fürstli'n Gnade,
weil i noch gar so jung bin.
Das bewusste Mariandel, Kammerzofel und Verliebte.
Wenn der Herr Kavalier den Nam' nit schon vergessen hat.
I wart' auf Antwort. «


BARON
entzückt
Sie wart' auf Antwort.
Geht all's recht am Schnürl so wie z'Haus
und hat noch einen andern Schick dazu.
sehr lustig
Ich hab' halt schon einmal ein Ierchenauisch Glück.
Komm' Sie nach Tisch,
geb' Ihr die Antwort nachher schriftlich.


ANNINA
Ganz zu Befehl, Herr Kavalier.
Vergessen nicht die Botin?


BARON
sie überhörend, vor sich
»Ohne mich, ohne mich jeder Tag dir so lang. «

ANNINA
dringlicher
Vergessen nicht der Botin, Euer Gnad'n?

BARON
Schon gut.» Mit mir, mit mir keine Nacht dir zu lang. «

ANNINA
macht nochmals eine Gebärde des Geldforderns

BARON
Das später. Alls auf einmal.
Dann zum Schluss. Sie wart' auf Antwort!
Tret' Sie ab indessen.
Schaff' Sie ein Schreibzeug in mein Zimmer hin dort drüben,
dass ich die Antwort dann diktier'.


ANNINA
geht ab, nicht ohne mit einer drohenden Gebärde hinter des Barons Rücken angezeigt zu haben,
dass sie sich bald für seinen Geiz rächen werde

BARON
tut noch einen letzten Schluck, er geht, von seinen Leuten begleitet, langsam und behaglich seinem Zimmer zu
»Mit mir, mit mir keine Nacht dir zu lang! «
-Karajan-1957 ShortTag2- ShortTag3- ShortTag4- ShortTag5- ShortTag6-
DRITTER AUFZUG
Ein Extrazimmer in einem Gasthaus. Im Hintergrunde links ein Alkoven, darin ein Bett. Der Alkoven durch einen Vorhang verschliessbar, der sich auf- und zuziehen lässt. Mitte links ein Kamin mit Feuer darin. Darüber ein Spiegel. Vorne links Türe ins Nebenzimmer. Gegenüber dem Kamin steht ein für zwei Personen gedeckter Tisch, auf diesem ein grosser, vielarmiger Leuchter. In der Mitte rückwärts Türe auf den Korridor. Daneben rechts ein Büfett. Rechts rückwärts ein blindes Fenster, vorne rechts ein Fenster auf die Gasse. Armleuchter mit Kerzen auf dem Büfett, auf dem Kamin sowie an den Wänden. Es brennt nur je eine Kerze in den Leuchtern auf dem Kamin. Das Zimmer halbdunkel. Annina steht da, als Dame in Trauer gekleidet. Valzacchi richtet ihr den Schleier, zupft da und dort das Kleid zurecht, tritt zurück, mustert sie, zieht einen Crayon aus der Tasche, untermalt ihr die Augen. Die Türe links wird vorsichtig geöffnet, ein Kopf erscheint, verschwindet wieder, dann kommt eine nicht ganz unbedenklich aussehende, aber ehrbar gekleidete Alte hereingeschlüpft, öffnet lautlos die Tür und lässt respektvoll Octavian eintreten, in Frauenkleidern, mit einem Häubchen, wie es die Bürgermädchen tragen.

Octavian, hinter ihm die Alte, gehen auf die beiden anderen zu, werden sogleich von Valzacchi bemerkt, der in seiner Arbeit innehält und sich vor Octavian verneigt. Annina erkennt nicht sofort den Verkleideten, sie kann sich vor Staunen nicht fassen, knickst dann tief. Octavian greift in die Tasche, nicht wie eine Dame, sondern wie ein Herr, und man sieht, dass er unter dem Reifrock Männerkleider und Reitstiefel anhat, aber ohne Sporen) und wirft Valzacchi eine Börse zu.

Valzacchi und Annina küssen ihm die Hände, Annina richtet noch an Octavians Brusttuch. Indessen sind fünf verdächtige Herren unter Vorsichtsmassregeln eingetreten. Valzacchi bedeutet sie mit einem Wink, zu warten. Sie stehen nahe der Türe. Eine Uhr schlägt halb. Valzacchi zieht seine Uhr, zeigt Octavian: es ist hohe Zeit. Octavian geht eilig links ab, gefolgt von der Alten, die als seine Begleiterin fungiert. Annina geht zum Spiegel (alles mit Vorsicht, jedes Geräusch vermeidend), arrangiert sich noch, zieht dann einen Zettel her-vor, woraus sie ihre Rolle zu lernen scheint. Valzacchi nimmt indessen dieVerdächtigen nach vorne, indem er mit Gebärde die Notwendigkeit höchster Vorsicht andeutet. Die Verdächtigen folgen ihm auf den Zehen nach der Mitte. Er bedeutet ihrer einem, ihm zu folgen: lautlos, ganz lautlos. Führt ihn an die Wand rechts, öffnet lautlos eine Falltür unfern des gedeckten Tisches, lässt den Mann hinabsteigen, schliesst wieder die Falltür. Dann winkt er zwei zu sich, schleicht ihnen voran bis an dieEingangstüre, steckt den Kopf heraus, vergewissert sich, dass niemand zusieht, winkt die zwei zu sich, lässt sie dort hinaus. Dann schliesst er die Türe, führt die beiden letzten leise an die Türe zum Nebenzimmer voran, schiebt sie hinaus. Winkt Annina zu sich, geht mit ihr leise links ab, die Türe lautlos hinter sich schliessend. Er kommt wieder herein, klatscht in die Hände. Der eine Versteckte hebt sich mit halbem Leib aus dem Boden hervor. Zugleich erscheinen über dem Bett und an anderen Stellen Köpfe. Auf Valzacchis Wink verschwinden dieselben ebenso plötzlich, die geheimen Schiebetüren schliessen sich ohne Geräusch. Valzacchi sieht abermals nach der Uhr, geht nach rückwärts, öffnet die Eingangstür, dann zieht er ein Feuerzeug hervor und beginnt eifrig, die Kerzen auf dem Tisch anzuzünden. Ein Kellner und ein Kellnerjunge kommen gelaufen mit zwei Stöcken zum Kerzenanzünden. Entzünden die Leuchter auf dem Kamin, auf dem Büfett, dann die zahlreichen Wandarme. Sie haben die Tür hinter sich offen gelassen, man hört aus dem Vorsaal (im Hintergrunde) Tanzmusik spielen. Valzacchi eilt zur Mitteltür, öffnet dienstbeflissen auch den zweiten Flügel, springt unter Verneigung zur Seite.

Baron Ochs erscheint, den Arm in der Schlinge, Octavian an der Linken führend, hinter ihm der Leiblakai. Baron mustert den Raum. Octavian sieht herum, läuft an den Spiegel, richtet sein Haar. Baron bemerkt den Kellner und Kellnerjungen, die noch mehr Kerzen anzünden wollen, winkt ihnen, sie sollten es sein lassen. In ihrem Eifer bemerken sie es nicht.
BARON
ungeduldig, reisst den Kellnerjungen vom Stuhl, auf den er gestiegen war,
löscht einige ihm zunächst brennende Kerzen mit der Hand aus.
Valzacchi zeigt dem Baron diskret den Alkoven und durch eine Spalte des Vorhanges das Bett.
Der Wirt mit mehreren Kellnern eilt herbei, den vornehmen Gast zu begrüssen.

WIRT
Haben Euer Gnaden noch weitre Befehle?

KELLNER
Befehl'n mehr Lichter?

WIRT
Ein grösseres Zimmer?

KELLNER
Befehlen mehr Lichter auf dem Tisch? Mehr Silber?

BARON
Verschwindt's! Macht mir das Madel net verruckt! Was will die Musi? Hab' sie nicht bestellt.
löscht weitere Kerzen aus

WIRT
Schaffen vielleicht, dass man sie näher hört? Im Vorsaal da als Tafelmusi.

BARON
Lass Er die Musi, wo sie ist.
bemerkt das Fenster rechts rückwärts im Rücken des gedeckten Tisches
Was ist das für ein Fenster da?


WIRT
Ein blindes Fenster nur.
verneigt sich
Darf aufgetragen werd'n?
Alle fünf Kellner wollen abeilen.

BARON
Halt, was woll'n die Maikäfer da?

KELLNER
an der Tür
Servier'n, Euer Gnaden.

BARON
winkt ab
Brauch' niemand nicht.
als sie nicht gehen, heftig
Packt's Euch! Servieren wird mein Kammerdiener da.
Einschenken tu' ich selber.
Versteht Er?

Valzacchi bedeutet sie,
den Willen Seiner Gnaden wortlos zu respektieren.
Schiebt alle zur Tür hinaus.

BARON
löscht aufs neue eine Anzahl Kerzen aus, darunter mit einiger Mühe
die hoch an der Wand brennenden, zu Valzacchi
Er ist ein braver Kerl.
Wenn Er mir hilft, die Rechnung 'runterdrucken, dann fallt was ab für Ihn.
Kost' sicher hier ein Martergeld.
Valzacchi unter Verneigung ab - Octavian ist nun fertig.


BARON
führt ihn zu Tisch, sie setzen sich

Der Lakai am Büfett sieht mit unverschämter Neugierde der Entwicklung des tête-à-tête entgegen, stellt Karaffen mit Wein vom Büfett auf den Esstisch. Baron schenkt ein. Octavian nippt. Baron küsst Octavian die Hand. Octavian entzieht ihm die Hand. Baron winkt den Lakaien abzugehen, muss es mehrmals wiederholen, bis die Lakaien endlich gehen.

OCTAVIAN
schiebt sein Glas zurück
Nein, nein, nein, nein! I trink' kein Wein.

BARON
Geh, Herzerl, was denn? Mach' doch keine Faxen. ,

OCTAVIAN
Nein, nein, nein, nein, i bleib' net da.
springt auf, tut, als wenn er fort wollte

BARON
packt sie mit seiner Linken
Sie macht mich deschparat.

OCTAVIAN
Ich weiss schon, was Sie glaubn.
Oh, Sie schlimmer Herr!


BARON
sehr laut
Saperdipix! Ich schwör' bei meinem Schutzpatron!

OCTAVIAN
tut sehr erschrocken, läuft, als ob er sich irrte, statt zur Ausgangstür gegen den Alkoven, reisst den Vorhang auseinander, erblickt das Bett. Gerät in übermässiges Staunen, kommt ganz betroffen auf den Zehen zurück.
Jesus Maria, steht a Bett drin, a mordsmässig grosses. Ja mei, wer schlaft denn da?

BARON
führt ihn zurück an den Tisch
Das wird Sie schon seh'n. jetzt komm' Sie. Setz' Sie sich schön. Kommt gleich wer mit'n Essen. Hat Sie denn keinen Hunger nicht?
legt ihr die Hand um die Taille

OCTAVIAN
wirft dem Baron schmachtende Blicke zu
O weh, wo Sie doch ein Bräutgam tun sein.
wehrt ihn ab

BARON
Ach, lass Sie schon einmal das fade Wort! Sie hat doch einen Kavalier vor sich und keinen Seifensieder: Ein Kavalier lässt alles, was ihm nicht konveniert, da draussen vor der Tür. Hier sitzt kein Bräutigam und keine Kammerjungfer nicht: Hier sitzt mit seiner Allerschönsten ein Verliebter beim Souper.
zieht sie an sich

OCTAVIAN
lehnt sich kokett in den Sessel zurück, mit halbgeschlossenen Augen

BARON
erhebt sich, der Moment für den ersten Kuss scheint ihm gekommen. Wie sein Gesicht dem der Partnerin ganz nahe ist, durchzuckt ihn jäh die Ahnlichkeit mit Octavian. Er fährt zurück und greift unwillkürlich nach dem verwundeten Arm.
Ist e i n Gesicht!
Verfluchter Bub!
Verfolgt mich also wacher und im Traum!


OCTAVIAN
öffnet die Augen und blickt ihn frech und kokett an
Was meint Er denn?


BARON
Siehst einem ähnlich, einem gottverfluchten Kerl!

OCTAVIAN
Ah geh! Das hab' i no net g'hört!

BARON
nun wieder versichert, dass es die Zofe ist, zwingt sich zu einem Lächeln. Aber der Schreck ist ihm nicht ganz aus den Gliedern. Er muss Luft schöpfen und der Kuss bleibt aufgeschoben. Der Mann unter der Falltür öffnet zu früh und kommt zum Vorschein.

OCTAVIAN
der ihm gegenübersitzt, winkt ihm eifrig, zu verschwinden. Der Mann verschwindet sofort. Baron, der, um den unangenehmen Eindruck von sich abzuschütteln, ein paar Schritte getan hat und sie von rückwärts umschlingen und küssen will, sieht gerade noch den Mann. Er erschrickt heftig, zeigt hin.

OCTAVIAN
als verstände er nicht
Was ist mit Ihm?

BARON
auf die Stelle deutend, wo die Erscheinung verschwunden ist
Was war denn das?
Hat Sie den nicht gesehn?


OCTAVIAN
Da is j a nix.

BARON
Da is nix?
nun wieder ihr Gesicht angstvoll musternd
So? Und da is auch nix?

fährt mit der Hand über ihr Gesicht

OCTAVIAN
Da is mei' G'sicht.

BARON
atmet schwer, schenkt sich ein Glas Wein ein
Da is Ihr G'sicht - und da is nix -
mir scheint, ich hab' die Kongestion.

setzt sich schwer, es ist ihm ängstlich zumute. Die Tür geht auf, man hört draussen wieder die Musik. Der Lakai kommt und serviert.

OCTAVIAN
sehr weich
Die schöne Musi!

BARON
wieder sehr laut
Is mei Leiblied, weiss Sie das?

OCTAVIAN
horcht auf die Musik
Da muss ma weinen.

BARON
Was?

OCTAVIAN
Weil's gar so schön is.

BARON
Was, weinen? Wär'nicht schlecht.
Kreuzlustig muss Sie sein, die Musi geht ins Blut.
sentimental
Gspürt Sie's jetzt -
winkt dem Lakaien abzugehen
auf die letzt, g'spürt Sie's dahier,
dass Sie aus mir machen kann alles frei,
was Sie nur will.


DER LAKAI
geht zögernd ab, öffnet nochmals die Tür, schaut mit frecher Neugierde herein und verschwindet erst auf einen neuen heftigen Wink des Barons gänzlich

OCTAVIAN
zurückgelehnt, wie zu sich selbst sprechend, mit unmässiger Traurigkeit
Es is ja eh als eins, es is ja eh als eins, was ein Herz noch so jach begehrt.
indes der Baron ihre Hand fasst
Geh', es is j a all's net drumi wert.


BARON
lässt ihre Hand fahren
Ei, wie denn? Is sehr wohl der Müh' wert.

OCTAVIAN
immer gleich melancholisch, wirft dem Baron schmachtende Blicke zu
Wie die Stund' hingeht, wie der Wind verweht, so sind wir bald alle zwei dahin. Menschen sin'ma halt.
schmachtender Blick auf den Baron
Richtn's nicht mit G'walt, weint uns niemand nach, net dir net und net mir.


BARON
Macht Sie der Wein leicht immer so? Is ganz g'wiss Ihr Mieder, das aufs Herzerl Ihr druckt.

OCTAVIAN
mit geschlossenen Augen, gibt keine Antwort

BARON
steht auf und will ihr das Mieder aufschnüren
jetzt wird's frei mir a bisserl heiss.
Schnell entschlossen nimmt er seine Perücke ab und sucht sich einen Platz, sie abzulegen. Indem erblickt er ein Gesicht,
das sich wieder im Alkoven zeigt und ihn anstarrt.
Das Gesicht verschwindet gleich wieder.
Er sagt sich: Kongestionen! und verscheucht den Schrecken,
muss sich aber doch die Stirne abwischen.
Sieht nun wieder die Zofe willenlos wie mit gelösten Gliedern dasitzen. Das ist stärker als alles, und er nähert sich ihr zärtlich.
Da meint er wieder das Gesicht Octavians ganz nahe dem seinigen zu erkennen,
und er fährt abermals zurück.
Mariandl rührt sich kaum.
Abermals verscheucht der Baron sich den Schreck, zwingt Munterkeit in sein Gesicht zurück, da fällt sein Auge abermals auf einen fremden Kopf, welcher aus der Wand hervorstarrt.
Nun ist er masslos geängstigt, er schreit dumpf auf,
ergreift die Tischglocke und schwingt sie wie rasend.
Da und da und da und da!
Plötzlich springt das angeblich blinde Fenster auf.
Annina in schwarzer Trauerkleidung erscheint
und zeigt mit ausgestreckten Armen auf den Baron.

BARON
ausser sich vor Angst
Da und da und da und da!
sucht sich den Rücken zu decken

ANNINA
Er ist es! Es ist mein Mann! Er ist's!
verschwindet

BARON
angstvoll
Was ist denn das?

OCTAVIAN
Das Zimmer ist verhext.
schlägt ein Kreuz

ANNINA
gefolgt von dem Intriganten, der sie scheinbar abzuhalten sucht,
vom Wirt und von drei Kellnern, stürzt zur Mitteltür herein,-
sie bedient sich des böhmisch-deutschen Akzents, aber gebildeter Sprechweise.
Es ist mein Mann, ich leg' Beschlag auf ihn!
Gott ist mein Zeuge, Sie sind meine Zeugen!
Gericht! Hohe Obrigkeit!
Die Kaiserin muss ihn mir wieder geben!


BARON
zum Wirt
Was will das Weibsbild da von mir, Herr Wirt!
Was will der dort und der und der und der?
zeigt nach allen Richtungen
Der Teufel frequentier' Sein gottverfluchtes Extrazimmer!


ANNINA
Er wagt mich zu verleugnen, ah!
Tut, als ob er mich nicht täte kennen!


BARON
hat sich eine kalte Kompresse auf den Kopf gelegt, hält sie mit der Linken fest, geht dann dicht auf die Kellner, den Wirt, zuletzt auf Annina zu, mustert sie ganz scharf, um sich über ihre Realität klar zu werden
Ist auch lebendig!
wirft die Kompresse weg. Sehr bestimmt
Ich hab', wahrhaftigen Gott, das Möbel nie gesehn!
zum Wirt
Debarassier' Er mich und lass' Er fortservier'n! Ich hab' Sein Beisl heut zum letztenmal betreten.

ANNINA
als entdeckte sie jetzt erst die Gegenwart Octavians
Ah! Es ist wahr, was mir berichtet wurde,
er will ein zweites Mal heiraten,
der Infame, ein zweites unschuldiges Mädchen,
so wie ich es war!


WIRT
erschrocken

KELLNER
Oh, Euer Gnaden!

BARON
Bin ich in einem Narrenturm? Kreuzelement!
schüttelt kräftig mit der Linken Valzacchi, der ihm zunächst steht
Bin ich der Baron von Lerchenau oder bin ich es nicht? Bin ich bei mir?
fährt mit dem Finger ins Licht
Is das, ein Kerzl?
schlägt mit der Serviette durch die Luft
Is das ein Serviettl?


ANNINA
Ja, j a, du bist es und so wahr,
als du es bist,
bin ich es auch und du erkennst mich wohl, Leupold bedenk':
Anton von Lerchenau,
dort oben richtet dich ein Höherer!

erschrickt zuerst heftig, dass sie in ihrer Anrede unterbrochen wird, fasst sich aber schnell

BARON
starrt sie fassungslos an
Kommt mir bekannt vor.
sieht wieder auf Octavian
Hab'n doppelte Gesichter alle miteinander.

WIRT
Die arme Frau Baronin!

KELLNER
Die arme Frau, die arme Frau Baronin!

VIER KINDER
zwischen vier und zehn Jahren stürzen zu früh herein und auf den Baron zu
Papa! Papa! Papa!

ANNINA
Hörst du die Stimme deines Blutes!?
Kinder, hebt die Hände auf zu ihm!


BARON
schlägt wütend mit einer Serviette, die er vom Tisch reisst, nach den Kindern; zum Wirt
Debarassier' Er mich von denen da, von der, von dem, von dem, von dem!
zeigt nach allen Richtungen. Valzaechi indessen zu Octavian leise

OCTAVIAN
zu Valzacchi
Ist gleich wer fort, den Faninal zu holen?

VALZACCHI
leise
Sogleich in Anfang.
Wird sogleich zur Stelle sein.


WIRT
im Rücken des Barons leise
Halten zu Gnaden, gehen nit zu weit, könnten recht böse Folgen g'spürenl Bitterböse!

BARON
Was? ich was g'spür'n?
Von dem Möbel da?
Hab's nie nicht angerührt, nicht mit der Feuerzang'!


ANNINA
schreit laut auf
Aah!

WIRT
wie oben
Die Bigamie ist halt kein G'spass, is ein Kapitalverbrechen!

VALZACCHI
zum Baron leise
Ik rat' Euer Gnaden, sei'n vorsiktig,
die Sittenpolizei sein gar nicht tolerant!


BARON
Die Bigamie? Die Sittenpolizei?
die Stimmen der Kinder nachahmend
Papa, Papa?
greift sich wie verloren an den Kopf, dann wütend
Schmeiss' Er hinaus das Trauerpferd! Wer? Was? Er will nicht? Was? Polizei! Die Lackln woll'n nicht? Spielt das Gelichter leicht alles unter einem Leder? Sein wir in Frankreich? Sein wir unter Kurutzen? Oder in kaiserlicher Hauptstadt?
reisst das Gassenfenster auf
Polizei! Herauf da, Polizei:
Gilt Ordnung herzustellen und einer Standsperson zu Hilf' zu eilen!
Man hört auf der Gasse laute Rufe nach der Polizei.


WIRT
jammernd
Mein renommiertes Haus! Das muss mein Haus erleben!

DIE KINDER
plärrend
Papa! Papa! Papa!

Kommissarius mit zwei Wächtern treten auf. Alles rangiert sich, ihnen Platz zu machen.

VALZACCHI
zu Octavian
Oh weh, was maken wir?

OCTAVIAN
Verlass' Er sich auf mich und lass Er's gehn, wie's geht.

VALZACCHI
Zu Euer Exzellenz Befehl!

KOMMISSARIUS
scharf
Halt! Keiner rührt sich! Was ist los? Wer hat um Hilf' geschrien? Wer hat Skandal gemacht?

BARON
auf ihn zu, mit der Sicherheit des grossen Herrn
Is all's in Ordnung jetzt. Bin mit Ihm wohl zufrieden. Hab' gleich erhofft, dass in Wien all's wie am Schnürl geht.
vergnügt
Schaff' Er das Pack mir vom Hals. Ich will in Ruh' soupieren.


KOMMISSARIUS
Wer ist der Herr? Was gibt dem Herrn Befugnis? Ist Er der Wirt?
Baron sperrt den Mund auf

KOMMISSARIUS
scharf
Dann halt' Er sich gefällig still und wart' Er, bis man Ihn vernehmen wird.

BARON
retiriert sich etwas, perplex, beginnt nach seiner Perücke zu suchen, die in dem Tumult abhanden gekommen ist und unauffindbar bleibt

KOMMISSARIUS
setzt sich, die zwei Wächter nehmen hinter ihm Stellung

KOMMISSARIUS
Wo ist der Wirt?

WIRT
devot
Mich dem Herrn Oberkommissarius schönstens zu rekommandieren.

KOMMISSARIUS
Die Wirtschaft da rekommandiert Ihn schlecht. Bericht' Er jetzt! Von Anfang!

WIRT
Herr Kommissar! Der Herr Baron -

KOMMISSARIUS
Der grosse Dicke da? Wo hat er sein Paruckl?

BARON
der die ganze Zeit gesucht hat
Um das frag' ich Ihn!

WIRT
Das ist der Herr Baron von Lerchenau!

KOMMISSARIUS
Genügt nicht.

BARON
Was?

KOMMISSARIUS
Hat Er Personen nahebei, die für Ihn Zeugnis geben?

BARON
Gleich bei der Hand!
Da hier mein Sekretär, ein Italiener.


VALZACCIII
wechselt mit Octavian einen Blick des Einverständnisses
Ik exkusier' mik. lk weiss nix.
Die Herr kann sein Baron, kann sein auch nit.
Ik weiss von nix.


BARON
ausser sich
Das ist doch stark, wällisches Luder, falsches!

KOMMISSARIUS
zum Baron, scharf
Fürs erste moderier' Er sich.

OCTAVIAN
der bis jetzt ruhig rechts gestanden, tut nun, als ob er, in Verzweiflung hin und her irrend, den Ausweg nicht fände und das Fenster für eine Ausgangstür hält
Oh mein Gott, in die Erd'n möcht' ich sinken! Heilige Mutter von Maria Taferl!

KOMMISSARIUS
Wer ist dort die junge Person?

BARON
Die? Niemand. Sie steht unter meiner Protektion!

KOMMISSARIUS
Er selber wird bald eine Protektion sehr nötig haben. Wer ist das junge Ding, was macht Sie hier?
blickt um sich
Ich will nicht hoffen, dass Er ein gottverdammter Debauchierer und Verführer ist! Da könnt's Ihm schlecht ergehn. Wie kommt Er zu dem Mädel? Antwort will ich.

OCTAVIAN
I geh' ins Wasser!
rennt gegen den Alkoven, wie um zu flüchten, reisst den Vorhang auf, so dass man das Bett friedlich beleuchtet dastehen sieht

KOMMISSARIUS
erhebt sich
Herr Wirt, was seh' ich da? Was für ein Handwerk treibt denn Er?

WIRT
verlegen
Wenn ich Personen von Stand zum Speisen oder Nachtmahl hab' -

KOMMISSARIUS
Halt' Er den Mund. Ihn nehm' ich später vor.
zum Baron
Jetzt zähl' ich noch bis drei, dann will ich wissen, wie Er da zu dem jungen Bürgermädchen kommt! Ich will nicht hoffen, dass Er sich einer falschen Aussag' wird unterfangen.

Wirt und Valzacchi deuten dem Baron durch Gebärden die Gefährlichkeit der Situation und die Wichtigkeit seiner Aussage an.

BARON
winkt ihnen mit grosser Sicherheit, sich auf ihn zu verlassen, er sei kein heuriger Has
Wird wohl kein Anstand sein bei ihm, Herr Kommissar, wenn eine Standsperson mit seiner ihm verlobten Braut um neune abends ein Souper einnehmen tut.
blickt um sich, die Wirkung seiner schlauen Aussage abzuwarten

KOMMISSARIUS
Das wäre Seine Braut? Geb' Er den Namen an vom Vater und 's Logis. Wenn Seine Angab' stimmt, mag Er sich mit der Jungfer retirieren.

BARON
Ich bin wahrhaftig nicht gewohnt, in dieser Weise -

KOMMISSARIUS
scharf
Mach' Er sein Aussag' oder ich zieh' andere Saiten auf.

BARON
Werd' nicht mankieren. Is die Jungfer Faninal Sophia Anna Barbara, eheliche Tochter des wohlgeborenen Herrn von Faninal, wohnhaft im »Hof« im eignen Palais.
An der Tür haben sich Gasthofpersonal, andere Gäste, auch einige der Musiker aus dem anderen Zimmer neugierig angesammelt. Herr von Faninal drängt sich durch sie durch, eilig aufgeregt in Hut und Mantel.


FANINAL
Zur Stelle! Was wird von mir gewünscht?
auf den Baron zu
Wie sieht Er aus? War mir vermutend nicht zu dieser Stunde, in ein gemeines Beisl depeschiert zu werden!

BARON
sehr erstaunt und unangenehm berührt
Wer hat Ihn hierher depeschiert? In Dreiteufels Namen?

FANINAL
halblaut zu ihm
Was soll mir die saudumme Frag', Herr Schwiegersohn? Wo Er mir schier die Tür einrennen lässt mit Botschaft, ich soll sehr schnell herbei und Ihm in einer üblen Lage soutenieren, in die Er unverschuldeterweise geraten ist!

BARON
greift sich an den Kopf

KOMMISSARIUS
Wer ist der Herr? Was schafft der Herr mit Ihm?

BARON
Nichts von Bedeutung. Ist bloss ein Bekannter, hält sich per Zufall hier im Gasthaus auf.

KOMMISSARIUS
Der Herr geb' Seinen Namen an!

FANINAL
Ich bin der Edle von Faninal.

KOMMISSARIUS
Somit ist dies der Vater -

BARON
stellt sich dazwischen, deckt Octavian vor Faninals Blick, eifrig
Beileib' gar nicht die Spur.
Ist ein Verwandter, ein Bruder, ein Neveu!
Der wirkliche ist noch einmal so dick!


FANINAL
sehr erstaunt
Was geht hier vor? Wie sieht Er aus? Ich bin der Vater, freilich!

BARON
will ihn forthaben
Das Weitre findet sich, verzieh' Er sich.

FANINAL
Ich muss schon bitten -

BARON
wütend
Fahr' Er heim in Teufels Namen.

FANINAL
immer ärgerlich
Mein Nam' und Ehr' in einen solchen Händel zu melieren, Herr Schwiegersohn!

BARON
versucht ihm den Mund zuzuhalten, zum Kommissarius
Ist eine idée fixe! Benennt mich also nur im G'spass!

KOMMISSARIUS
Ja, ja, genügt schon.
zu Faninal
Er erkennt demnach in diesem Herrn hier Seinen Schwiegersohn?

FANINAL
Sehr wohl! Wie sollt' ich ihn nicht erkennen? Leicht, weil er keine Haar nicht hat?

KOMMISSARIUS
zum Baron
Und Er erkennt nunmehr wohl auch in diesem Herrn wohl oder übel Seinen Schwiegervater?

BARON
nimmt den Leuchter vom Tisch, beleuchtet sich Faninal genau
So so, Iala! ja, ja, wird schon derselbe sein.
War heut den ganzen Abend gar nicht recht beinand',
kann meinen Augen heut nicht traun.
Muss Ihm sagen, liegt hier was in der Luft,
man kriegt die Kongestion davon.


KOMMISSARIUS
zu Faninal
Dagegen wird von Ihm die Vaterschaft zu dieser Ihm verbatim zugeschobenen Tochter geleugnet.

FANINAL
bemerkt jetzt erst Octavian
Meine Tochter? Da der Fetzen, gibt sich für meine Tochter aus?

BARON
gezwungen lächelnd
Im Gspass! Ein purer Missverstand!
Der Wirt hat dem Herrn Kommissarius da was vorerzählt von meiner Brautschaft mit der Faninalischen.


WIRT
aufgeregt
Kein Wort! Kein Wort! Herr Kommissarius! Laut eigner Aussag' -

FANINAL
ausser sich
Das Welbsbild arretieren! Kommt am Pranger! Wird ausgepeitscht! Wird eingekastelt in ein Kloster! Ich - ich -

BARON
Fahr' Er nach Haus.
Auf morgen in der Früh'!
Ich klär' Ihm alles auf.
Er weiss, was Er mir schuldig ist!


FANINAL
ausser sich vor Wut
Laut eignerAussag'
einige Schritte nach rückwärts
Meine Tochter soll herauf! Sitzt unten in der Tragchaise. Im Galopp herauf!
wieder auf den Baron losstürzend
Das zahlt Er teuer! Bring' Ihn vors Gericht!

BARON
Jetzt macht Er einen rechten Palawatsch
für nichts und wieder nichts!
Ein Kavalier braucht ein Rossgeduld,
Sein Schwiegersohn zu sein. -
Parole d'honneur! Ich will mei' Perücke! -
schüttelt den Wirt
Mei' Perücke will ich sehn!
Im wilden Herumfahren, um die Perücke zu suchen,
fasst er einige der Kinder an und stösst sie zur Seite.


DIE KINDER
automatisch
Papa! Papa! Papa!

FANINAL
fährt zurück
Was ist denn das?

BARON
im Suchen findet er wenigstens seinen Hut, schlägt mit dem Hut nach den Kindern
Gar nix, ein Schwindel!
Kenn' nit das Bagagi!
Sie sagt, dass sie verheirat' war mit mir.
Käm' zu der Schand', so wie der Pontius ins Credo!


SOPHIE
kommt im Mantel eilig herein, man macht ihr Platz.
An der Tür sieht man die Faninalschen Bedienten, jeder eine Tragstange der Sänfte haltend.
Baron sucht die Kahlheit seines Kopfes vor Sophie mit dem Hut zu beschatten

VIELE STIMMEN
indes Sophie auf ihren Vater zugeht, dumpf
Die Braut. Oh, was für ein Skandal!

FANINAL
zu Sophie
Da schau' dich um! Da hast du den Herrn Bräutigam! Da die Famili von dem saubern Herrn! Die Frau mitsamt die Kinder! Da das Weibsbild g'hört linker Hand dazu. Nein, das bist du, laut eigner Aussag', du! Möcht'st in die Erd'n sinken, was? Ich auch!

SOPHIE
freudig aufatmend
Bin herzensfroh, seh' ihn mit nichten an dafür.

FANINAL
Sieht ihn nicht an dafür! Sieht ihn nicht an dafür!
immer verzweifelter
Mein schöner Nam'! Ich trau' mi' nimmer übern Graben! Kein Hund nimmt mehr ein Stück'l Brot von mir.
Er ist dem Weinen nahe.

DUMPFE STIMMEN
Der Skandal! Der Skandal! Für Herrn von Faninal!

FANINAL
Die ganze Wiener Stadt! Die schwarze Zeitung! Da! Aus dem Keller! Aus der Luft! Die ganze Wiener Stadt!
auf den Baron zu, mit geballter Faust
Oh, Er Filou! Mir wird nicht gut! Ein' Sessel!

Bediente springen hinzu, fangen ihn auf. Zwei desgleichen haben vorher ihre Stange einem der Hintenstehenden zugeworfen. Sophie ist angstvoll um ihn bemüht. Wirt springt gleichfalls hinzu. Sie nehmen ihn auf und tragen ihn ins Nebenzimmer. Mehrere Kellner den Weg weisend, die Türe öffnend voran. Baron wird in diesem Augenblick seiner Perücke ansichtig, die wie durch Zauberhand wieder zum Vorschein gekommen ist, stürzt darauf los, stülpt sie sich auf und gibt ihr vor dem Spiegel den richtigen Sitz. Mit dieser Veränderung gewinnt er seine Haltung so ziemlich wieder, begnügt sich aber, Annina und den Kindern, deren Gegenwart ihm trotz allem nicht geheuer ist, den Rücken zu kehren. Hinter Herrn von Faninal und seiner Begleitung hat sich die Türe links geschlossen. Wirt und Kellner kommen bald darauf leise wieder heraus, holen Medikamente, Karaffen mit Wasser und anderes, das in die Tür getragen und von Sophie in der Türspalte übernommen wird.

BARON
nunmehr mit dem alten Selbstgefühl auf den Kommissarius zu
Sind desto ehr im klaren. Ich zahl', ich geh'!
zu Octavian
Ich führ' Sie jetzt nach Haus.


KOMMISSARIUS
Da irrt Er sich. Mit Ihm jetzt weiter im Verhör!
Auf den Wink des Kommissarius entfernen die beiden Wächter alle übrigen Personen aus dem Zimmer, nur Annina mit den Kindern bleibt an der linken Wand stehen.

BARON
Lass'Er's jetzt gut sein.
War ein G'spass.
Ich sag' Ihm später, wer das Mädel is!
Geb' Ihm mein Wort, ich heirat' sie wahrscheinlich auch einmal.
Da hinten dort, das Klumpret is schon stad.
Da sieht Er, wer ich bin und wer ich nicht bin.
macht Miene, Octavian abzuführen


OCTAVIAN
macht sich los
I geh' nit mit dem Herrn.

BARON
halblaut
I heirat' Sie, verhält Sie sich mit mir.
Sie wird noch Frau Baronin,
so gut gefallt Sie mir!


OCTAVIAN
gesprochen
Herr Kommissar, ich geb' was zu Protokoll, aber der Herr Baron darf nicht zuhör'n dabei.

Auf den Wink des Kommissarius drängen die beiden Wächter den Baron nach vorne rechts.
Octavian scheint dem Kommissarius etwas zu melden, was diesen sehr überrascht.

BARON
zu den Wächtern, familiär, halblaut, auf Annina hindeutend
Kenn' nicht das Weibsbild dort, auf Ehr'.
War grad' beim Essen! Hab' keine Ahnung, was es will.
Hätt' sonst nicht selber um die Polizei -


Der Kommissarius begleitet Octavian bis an den Alkoven.
Octavian verschwindet hinter dem Vorhang.
Der Kommissarius scheint sich zu amüsieren
und ist den Spalten des Vorhanges ungenierterweise nahe.

BARON
bemerkt die Heiterkeit des Kommissarius,
plötzlich sehr aufgeregt über den unerklärlichen Vorfall
Was g'schieht denn dort?
Ist wohl nicht möglich das? Der Lackl!
Das heisst Ihr Sittenpolizei? Ist eine Jungfer!
er ist schwer zu halten
Steht unter meiner Protektion! Beschwer' mich!
Hab' ein Wörtel drein zu reden!
Reisst sich los, will gegen das Bett hin.
Sie fangen und halten ihn wieder.

Aus dein Alkoven erscheinen Stück für Stück die Kleider der Mariandel.
Der Kommissarius macht ein Bündel daraus.

BARON
immer aufgeregt, ringt, seine beiden Wächter los zu werden
Muss jetzt partout zu ihr!
Sie halten ihn mühsam, während Octavians Kopf
aus einer Spalte des Vorhangs hervorsieht.


WIRT
hereinstürmend
Ihre hochfürstliche Gnaden, die Frau Fürstin Feldmarschall!

Kellner herein, reissen die Türe auf. Zuerst werden einige Menschen in der Marschallin Livree sichtbar, sie rangieren sich, Marschallin tritt ein, der kleine Neger trägt ihre Schleppe.

BARON
hat sich von den Wächtern losgerissen,
wischt sich den Schweiss von der Stirne,
eilt auf die Marschallin zu
Bin glücklich über Massen,
hab' die Gnad' kaum meritiert, schätz' Dero Gegenwart hier
als ein Freundstück ohnegleichen.


OCTAVIAN
steckt den Kopf zwischen dem Vorhang hervor
Marie Theres', wie kommt Sie her?
Marschallin regungslos, antwortet nicht, sieht sich fragend um

KOMMISSARIUS
auf die Fürstin zu, in dienstlicher Haltung
Fürstliche Gnaden, melde mich gehorsamst als Vorstands-Unterkommissarius.

BARON
Er sieht, Herr Kommisar,
die Durchlaucht haben selber sich bemüht.
Ich denk', Er weiss, woran Er ist.

Leiblakai auf den Baron zu, stolz und selbstzufrieden.
Baron winkt ihm als Zeichen seiner Zufriedenheit.

MARSCHALLIN
zum Kommissar
Er kennt mich? Kenn' ich Ihn nicht auch? Mir scheint beinah'.

KOMMISSARIUS
Sehr wohl!

MARSCHALLIN
Dem Herrn Feldmarschall sein' brave Ordonnanz gewest?

KOMMISSARIUS
Fürstliche Gnaden, zu Befehl!
Octavian steckt abermals den Kopf zwischen den Vorhängen hervor.

BARON
winkt ihm heftig, zu verschwinden, ist zugleich ängstlich bemüht, dass die Marschallin nichts merke. Halblaut
Bleib' Sie, zum Sakra, hinten dort!
Dann hört er, wie sich Schritte der Tür links vorne nähern;
stürzt hin, stellt sich mit dem Rücken gegen die Türe,
durch verbindliche Gebärden gegen die Marschallin bestrebt,
seinem Gehaben den Schein völliger Unbefangenheit zu geben.


MARSCHALLIN
kommt gegen links, mit zuwartender Miene den Baron anblickend

OCTAVIAN
in Männerkleidung, tritt zwischen den Vorhängen hervor, sobald der Baron ihm den Rücken kehrt; halblaut
War anders abgemacht! Marie Theres', ich wunder' mich!

MARSCHALLIN
als hörte sie ihn nicht, hat fortwährend den verbindlich erwartungsvollen Blick auf den Baron gerichtet, der in äusserster Verlegenheit zwischen der Tür und der Marschallin seine Aufmerksamkeit teilt. Die Tür links wird mit Kraft geöffnet, so dass der Baron, der vergebens versucht hatte, sich dagegen zu stemmen, wütend zurückzutreten genötigt ist. Zwei Faninalsche Diener lassen jetzt Sophie eintreten.

SOPHIE
ohne die Marschallin zu sehen, die ihr durch den Baron verdeckt ist
Hab' ihm von mei'm Herrn Vater zu vermelden:

BARON
ihr ins Wort fallend, halblaut
Is jetzo nicht die Zeit, Kreuzelement!
Kann Sie nicht warten, bis dass man Ihr rufen wird?
Meint Sie, dass ich Sie hier im Beisl präsentieren werd'?


OCTAVIAN
ist leise hervorgetreten, zur Marschallin, halblaut
Das ist die Fräulein - die - um derentwillen -

MARSCHALLIN
über die Schulter zu Octavian halblaut
Find'Ihn ein bissl empressiert,Rofrano. Kann mir wohl denken, wer sie ist. Find' sie scharmant.
Octavian schlüpft zwischen die Vorhänge zurück.


SOPHIE
den Rücken gegen die Türe, so scharf, dass der Baron unwillkürlich einen Schritt zurückweicht
Er wird mich keinem Menschen auf der Welt nicht präsentieren,
dieweilen ich mit Ihm auch nicht so viel zu schaffen hab.
Die Marschallin spricht leise mit dem Kommissar.
Und mein Herr Vater lasst Ihm sagen:
wenn Er alsoweit die Frechheit sollte treiben,
dass man Seine Nasen nur erblicken tät' auf hundert Schritt von unserm Stadtpalais,
so hätt' Er sich die bösen Folgen selber zuzuschreiben.
Das ist's, was mein Herr Vater Ihm vermelden lässt.


BARON
zornig
Corpo di Bacco! Was ist das für eine ungezogene Sprache!

SOPHIE
Die Ihm gebührt.

BARON
ausser sich, will an ihr vorbei, zur Tür hinein
He, Faninal, ich muss -

SOPHIE
Er untersteh' sich nichtl

Die zwei Faninalschen Diener treten hervor, halten ihn auf, schieben ihn zurück, Sophie tritt in die Tür, die sich hinter ihr schliesst.

BARON
gegen die Tür brüllend
Bin willens, alles Vorgefall'ne vergeben und vergessen sein zu lassen1

MARSCHALLIN
ist von rückwärts an den Baron herangetreten und klopft ihm auf die Schulter
Lass' Er nur gut sein und verschwind'
Er auf eins zwei!


BARON
dreht sich um, starrt sie an
Wieso denn?

MARSCHALLIN
munter, überlegen
Wahr' Er sein Dignité und fahr' Er ab.

BARON
sprachlos
Ich? Was?

MARSCHALLIN
Mach' Er bonne mine au mauvais jeu: So bleibt Er quasi doch noch eine Standsperson.

BARON
starrt sie stumm an. Sophie tritt leise wieder heraus. Ihre Augen suchen Oetavian.

MARSCHALLIN
zum Kommissar, der hinten rechts steht, desgleichen seine Wächter
Er sieht, Herr Kommissar: das Ganze war halt eine Farce und weiter nichts.

KOMMISSARIUS
Genügt mir! Retirier' mich ganz gehorsainst.
tritt ab, die beiden Wächter hinter ihm

SOPHIE
vor sich, erschrocken
Das Ganze war halt eine Farce und weiter nichts.

Die Blicke der beiden Frauen begegnen sich, Sophie macht der Marschallin einen verlegenen Knicks.

BARON
zwischen Sophie und der Marschallin stehend
Bin gar nicht willens.

MARSCHALLIN
ungeduldig, stampft auf
Mon Cousin, bedeut' Er Ihm!
kehrt dem Baron den Rücken

OCTAVIAN
geht von rückwärts auf den Baron zu, sehr männlich
Möcht' Ihn sehr bitten!

BARON
fährt herum
Wer? Was?

MARSCHALLIN
von rechts, wo sie nun steht
Sein' Gnaden, der Herr Graf Rofrano, wer denn sonst?

BARON
nachdem er Octavians Gesicht scharf und in der Nähe betrachtet, mit Resignation
Is schon a so!
vor sich
Hab' g'nug von dem Gesicht, sind doch nicht meine Augen schuld. Is schon ein Mandl.

Octavian steht frech und hochmütig da.


MARSCHALLIN
einen Schritt nähertretend
Ist eine wienerische Maskerad' und weiter nichts.

SOPHIE
halb traurig, halb höhnisch für sich
Is eine wienerische Maskerad' und weiter nichts.

BARON
sehr vor den Kopf geschlagen
Aha!
für sich
Spiel'n alle unter einem Leder gegen meiner!


MARSCHALLIN
von oben herab
Ich hätt' Ihm nicht gewunschen,
dass Er mein Mariandl in der Wirklichkeit mir hätte debauchiert!


BARON
wie oben, vor sich hin sinnierend

MARSCHALLIN
wie oben und ohne Octavian anzusehen
Hab' jetzt einen montierten Kopf gegen die Männer -
so ganz im allgemeinen!


BARON
allmählich der Situation beikommend
Kreuzelement! Komm' aus dem Staunen nicht heraus!
Der Feldmarschall - Octavian - Mariandl - die Marschallin - Octavian.
mit einem ausgiebigen Blick,
der von der Marschallin zu Octavian,
von Octavian wieder zurück zur Marschallin wandert
Weiss bereits nicht,
was ich von diesem ganzen qui-pro-quo mir denken soll!


MARSCHALLIN
mit einem langen Blick, dann mit grosser Sicherheit
Er ist, mein' ich, ein Kavalier? Da wird Er sich halt gar nichts denken. Das ist's, was ich von Ihm erwart'.
Pause

BARON
mit Verneigung und weltmännisch
Bin von so viel Finesse charmiert,
kann gar nicht sagen, wie.
Ein Lerchenauer war noch nie kein Spielverderber nicht.
einen Schritt an sie herantretend
Find' deliziös das ganze qui-pro-quo,
bedarf aber dafür nunmehro Ihrer Protektion.
Bin willens, alles Vorgefallene vergeben und vergessen sein zu lassen.
Pause
Eh bien, darf ich den Faninal -
Er macht Miene, an die Türe links zu gehen.


MARSCHALLIN
Er darf - Er darf in aller Still' sich retirieren.

BARON
aus allen Himmeln gefallen

MARSCHALLIN
Versteht Er nicht, wenn eine Sach' ein End' hat? Die ganze Brautschaft und Affär' und alles sonst. Was drum und dran hängt,
sehr bestimmt
ist mit dieser Stund' vorbei.


SOPHIE
sehr betreten, für sich
Was drum und dran hängt,
ist mit dieser Stund' vorbei.


BARON
für sich, empört, halblaut
Mit dieser Stund' vorbei! Mit dieser Stund' vorbei!

MARSCHALLIN
scheint sich nach einem Stuhl umzusehen, Octavian springt hin, gibt ihr einen Stuhl. Marschallin setzt sich rechts, mit Bedeutung für sich
Ist halt vorbei.

SOPHIE
links vor sich, blass
Ist halt vorbei!

Baron findet sich durchaus nicht in diese Wendung, rollt verlegen und aufgebracht die Augen. In diesem Augenblick kommt der Mann aus der Falltür hervor. Von links tritt Valzacchi ein, die Verdächtigen in bescheidener Haltung hinter ihm. Annina nimmt Witwenhaube und Schleier ab, wischt sich die Schminke weg und zeigt ihr gewöhnliches Gesicht. Dies alles zu immer gesteigertem Staunen des Barons. Der Wirt, eine lange Rechnung in der Hand, tritt zur Mitteltüre herein, hinter ihm Kellner ' Musikanten, Hausknechte, Kutscher.

BARON
wie er sie alle erblickt, gibt er sein Spiel verloren. Ruft schnell entschlossen
Leupold, wir gehn!
Macht der Marschallin ein tiefes, aber zorniges Kompliment. Leiblakai ergreift einen Leuchter vom Tisch und will seinem Herrn voran.


ANNINA
stellt sich frech dem Baron in den Weg
»Ich hab' halt schon einmal ein Lerchenauisch Glück! «
auf die Rechnung des Wirtes deutend
»Komm' Sie nach Tisch,
geb' Ihr die Antwort nachher schriftlich! «


Die Kinder kommen dem Baron unter die Füsse. Er schlägt mit dem Hut unter sie.

DIE KINDER
Papa! Papa! Papa!

KELLNER
sich zuerst an den Baron drängend
Entschuld'gen Euer Gnaden! Uns gehn die Kerzen an!

WIRT
sich mit der Rechnung vordrängend
Entschuld'gen Euer Gnaden!

ANNINA
vor dem Baron her nach rückwärts tanzend
»Ich hab' halt schon einmal
ein Lerchenauisch Glück! «


VALZACCHI
höhnisch
Ich hab' halt schon einmal ein Lerchenauisch Glück! «

DIE MUSIKANTEN
sich dem Baron in den Weg stellend
Tafelmusik über zwei Stunden!

LEIBLAKAI
bahnt sich den Weg gegen die Tür hin

BARON
will hinter ihm durch

DIE KUTSCHER
auf den Baron eindringend
Für die Fuhr', für die Fuhr', Rösser g'schund'n ham ma gnua!

HAUSKNECHT
den Baron grob anrempelnd
Sö fürs Aufsperrn, Sö, Herr Baron!

WIRT
immer die Rechnung präsentierend
Entschuld'gen Euer Gnaden.

KELLNER
Zwei Schock Kerzen, uns gehn die Kerzen an.

BARON
im Gedränge
Platz da, Kreuzmillion.

DIE KINDER
Papa! Papa! Papa!

ALLE
schreien wild durcheinander

BARON
drängt sich mit Macht durch gegen die Ausgangstür, alle dicht um ihn in einem Knäuel

HAUSKNECHT
Führa g'fahr'n, aussa g'ruckt, Sö, Herr Baron!

ALLE
sind schon in der Tür, dem Lakai wird der Armleuchter entwunden

BARON
stürzt ab

ALLE
stürmen ihm nach, der Lärm verhallt. Die zwei Faninalschen Diener sind indessen links abgetreten. Es bleiben allein zurück: Sophie, die Marschallin und Octavian.

SOPHIE
links stehend, blass
Mein Gott, es war nicht mehr als eine Farce.
Mein Gott, mein Gott!
Wie Er bei ihr steht und ich bin die leere Luft für Ihn.


OCTAVIAN
hinter dem Stuhl der Marschallin, verlegen
War anders abgemacht, Marie Theres', ich wunder' mich.
in höchster Verlegenheit
Befiehlt Sie, dass ich - soll ich nicht - die Jungfer - der Vater -


MARSCHALLIN
Geh' Er doch schnell und tu'
Er, was Sein Herz Ihm sagt.


SOPHIE
verzweifelt
Die leere Luft.
O mein Gott. Mein Gott!


OCTAVIAN
Theres', ich weiss gar nicht -

MARSCHALLIN
Geh' Er und mach' Seinen Hof.

OCTAVIAN
Ich schwör Ihr -

MARSCHALLIN
Lass Er's gut sein.

OCTAVIAN
Ich begreif' nicht, was Sie hat.

MARSCHALLIN
lacht zornig
Er ist ein rechtes Mannsbild, geh' Er hin.

OCTAVIAN
Wie Sie befiehlt.
geht hinüber

SOPHIE
wortlos

OCTAVIAN
bei ihr
Eh bien, hat Sie kein freundlich Wort für mich? Nicht einen Blick, nicht einen lieben Gruss?

SOPHIE
stockend
War mir von Euer Gnaden Freundschaft und Behilflichkeit wahrhaftig einer andern Freud' gewärtig.

OCTAVIAN
lebhaft
Wie - freut Sie sich denn nicht?

SOPHIE
unmutig
Hab' wirklich keinen Anlass nicht.

OCTAVIAN
Hat man Ihr nicht den Bräutigam vom Hals geschafft?

SOPHIE
Wär' all's recht schön, wenn's anders abgegangen wär'.
Schäm' mich in Grund und Boden.
Versteh' sehr wohl, mit was für einem Blick Ihre fürstliche Gnaden mich betracht'.


OCTAVIAN
Ich schwör' Ihr, meiner Seel' und Seligkeit.

SOPHIE
Lass Er mich gehn.

OCTAVIAN
Ich lass Sie nicht.
fasst ihre Hand

SOPHIE
Der Vater braucht mich drin.

OCTAVIAN
Ich brauch' Sie nötiger.

SOPHIE
Das sagt sich leicht.

OCTAVIAN
Ich hab' Sie übermässig lieb.

SOPHIE
Das ist nicht wahr.
Er hat mich nicht so lieb, als wie Er spricht.
Vergess' Er mich!


OCTAVIAN
Ist mir um Sie und nur um Sie.

SOPHIE
Vergess' Er mich!

OCTAVIAN
heftig
Mag alles drunter oder drüber gehn!

SOPHIE
leidenschaftlich
Vergess' Er mich!

OCTAVIAN
Hab' keinen andern Gedanken nicht. Seh' allweil Ihr lieb Gesicht.
fasst mit beiden Händen ihre beiden

SOPHIE
schwach abwehrend
Vergess' Er mich!

MARSCHALLIN
ist indessen aufgestanden, bezwingt sich aber und setzt sich wieder, vor sich getragen,
gleichzeitig mit Octavian und Sophie
Heut oder morgen oder den übernächten Tag.
Hab' ich mir's denn nicht vorgesagt?
Das alles kommt halt über jede Frau.
Hab' ich's denn nicht gewusst?
Hab` ich nicht ein Gelübde t"- in,
dass ich's mit einem ganz gefassten Herzen ertragen werd' . . .
Heut oder morgen oder den übernächsten Tag.
Sie wischt sich die Augen, steht auf.


SOPHIE
leise
Die Fürstin da! Sie ruft Ihn hin! So geh' Er doch.

OCTAVIAN
ist ein paar Schritte gegen die Marschallin hingegangen, steht jetzt zwischen beiden, verlegen. Pause

SOPHIE
in der Tür, unschlüssig, ob sie gehen oder bleiben soll

OCTAVIAN
in der Mitte, dreht den Kopf von einer zur andern

MARSCHALLIN
sieht seine Verlegenheit; ein trauriges Lächeln huscht über ihr Gesicht

SOPHIE
an der Tür
Ich muss hinein und fragen, wie's dem Vater geht.

OCTAVIAN
Ich muss jetzt was reden, und mir verschlagt's die Red'.

MARSCHALLIN
Der Bub', wie er verlegen da in der Mitten steht.

OCTAVIAN
zu Sophie
Bleib' Sie um alles hier.
zur Marschallin
Wie, hat Sie was gesagt?


MARSCHALLIN
geht, ohne Octavian zu beachten hinüber zu Sophie

OCTAVIAN
tritt einen Schritt zurück

MARSCHALLIN
steht vor Sophie, sieht sie prüfend, aber gütig an

SOPHIE
in Verlegenheit, knickst

MARSCHALLIN
So schnell hat Sie ihn gar so lieb?

SOPHIE
sehr schnell
Ich weiss nicht, was Euer Gnaden meinen mit der Frag'.

MARSCHALLIN
Ihr blass Gesicht gibt schon die rechte Antwort drauf.

SOPHIE
in grosser Schüchternheit und Verlegenheit, immer sehr schnell
Wär' gar kein Wunder, wenn ich blass bin, Euer Gnaden.
Hab' einen grossen Schreck erlebt mit dem Herrn Vater.
Gar nicht zu reden von gerechtem Einportement gegen den skandalösen Herrn Baron.
Bin Euer Gnaden in Ewigkeit verpflichtet,
dass mit Dero Hilf' und Aufsicht -


MARSCHALLIN
abwehrend
Red' Sie nur nicht zu viel, Sie ist ja hübsch genug!
Und gegen den Herrn Papa sein Übel weiss ich etwa eine Medizin.
Ich geh' jetzt da hinein zu ihm und lad' ihn ein,
mit mir und Ihr und dem Herrn Grafen da in meinem Wagen heimzufahren - meint Sie nicht -
dass ihn das rekreieren wird und allbereits ein wenig munter machen?


SOPHIE
Euer Gnaden sind die Güte selbst.

MARSCHALLIN
Und für die Blässe weiss vielleicht mein Vetter da die Medizin.

OCTAVIAN
innig
Marie Theres', wie gut Sie ist. Marie Theres', ich weiss gar nicht. -

MARSCHALLIN
mit einem undefinierbaren Ausdruck leise
Ich weiss auch nix.
ganz tonlos
Gar nix.
winkt ihm, zurückzubleiben


OCTAVIAN
unschlüssig, als wollte er ihr nach
Marie Theres'!
Marschallin bleibt in der Tür stehen. Octavian steht ihr zunächst, Sophie weiter rechts.

MARSCHALLIN
vor sich, zugleich mit Octavian und Sophie
Hab' mir's gelobt, Ihn lieb zu haben
in der richtigen Weis'.
Dass ich selbst Sein Lieb' zu einer andern noch lieb hab!
Hab' mir freilich nicht gedacht, dass es so bald mir aufgelegt sollt' werden!
seufzend
Es sind die mehreren Dinge auf der Welt,
so dass sie ein's nicht glauben tät',
wenn man sie möcht' erzählen hör'n.
Alleinig wer's erlebt, der glaubt daran und weiss nicht wie -
da steht der Bub' und da steh' ich, und mit dem fremden Mädel dort wird er so glücklich sein,
als wie halt Männer das Glücklichsein verstehen.
In Gottes Namen.


OCTAVIAN
zugleich mit der Marschallin und Sophie, erst vor sich, dann Aug' in Aug' mit Sophie
Es ist was kommen und ist was g'schehn,
Ich möcht' Sie fragen:
darf's denn sein?
und grad' die Frag, die spür' ich, dass sie mir verboten ist.
Ich möcht' Sie fragen:
warum zittert was in mir? -
Ist denn ein grosses Unrecht geschehn?
Und grad' an die darf ich die Frag' nicht tun -
und dann seh' ich dich an, Sophie,
und seh' nur dich
und spür' nur dich, Sophie,
und weiss von nichts als nur:
dich hab' ich lieb.


SOPHIE
zugleich mit der Marschallin und Octavian,
erst vor sich, dann Aug' in Aug' mit Octavian
Mir ist wie in der Kirch'n,
heilig ist mir und so bang;
und doch ist mir unheilig auch!
Ich weiss nicht, wie mir ist. (ausdrucksvoll)
Ich möcht' mich niederknien dort vor der Frau und möcht' ihr was antun,
denn ich spür',
sie gibt mir ihn und nimmt mir was von ihm zugleich.
Weiss gar nicht, wie mir ist!
Möcht' alles verstehen und möcht' auch nichts verstehen.
Möcht' fragen und nicht fragen, wird mir heiss und kalt.
Und spür' nur dich und weiss nur eins: dich hab' ich lieb.


Marschallin geht leise links hinein, die beiden bemerken es gar nicht.
Octavian ist dicht an Sophie herangetreten,
einen Augenblick später liegt sie in seinen Armen.

OCTAVIAN
zugleich mit Sophie
Spür' nur dich,
spür' nur dich allein und dass wir beieinander sein!
Geht alls sonst wie ein Traum dahin vor meinem Sinn!


SOPHIE
zugleich mit Octavian
Ist ein Traum, kann nicht wirklich sein,
dass wir zwei beieinander sein,
beieinand' für alle Zeit und Ewigkeit!


OCTAVIAN
ebenso
War ein Haus wo, da warst du drein, und die Leut' schicken mich hinein, mich gradaus in die Seligkeit! Die waren g'scheit!

SOPHIE
ebenso
Kannst du lachen?
Mir ist zur Stell' bang wie an der himmlischen Schwell!
Halt' mich, ein schwach Ding, wie ich bin, sink' dir dahin!


Sie muss sich an ihn lehnen. In diesem Augenblick öffnen die Faninalschen Lakaien die Tür und treten herein, jeder mit einem Leuchter. Durch die Tür kommt Faninal, die Marschallin an der Hand führend. Die beiden jungen stehen einen Augenblick verwirrt, dann machen sie ein tiefes Kompliment, das Faninal und die Marschallin erwidern. Faninal tupft Sophie väterlich gutmütig auf die Wange.

FANINAL
Sind halt aso, die jungen Leut'!

MARSCHALLIN
Ja, ja.

Faninal reicht der Marschallin die Hand, führt sie zur Mitteltür, die zugleich durch die Livree der Marschallin, darunter der kleine Neger, geöffnet wurde. Draussen hell, herinnen halbdunkel, da die beiden Diener mit den Leuchtern der Marschallin voraustreten. Octavian und Sophie, allein im halbdunklen Zimmer, wiederholen leise.

OCTAVIAN
zugleich mit Sophie
Spür' nur dich, spür' nur dich allein
und dass wir beieinander sein!
Geht all's sonst wie ein Traum dahin
vor meinem Sinn!


SOPHIE
zugleich mit Octavian
Ist ein Traum, kann nicht wirklich sein,
dass wir zwei beieinander sein,
beieinand' für alle Zeit und Ewigkeit!


Sie sinkt an ihn hin, er küsst sie schnell. Ihr fällt, ohne dass sie es merkt, ihr Taschentuch aus der Hand. Dann laufen sie schnell, Hand in Hand, hinaus. Die Bühne bleibt leer, dann geht nochmals die Mitteltür auf. Herein kommt der kleine Neger, mit einer Kerze in der Hand, sucht das Taschentuch, findet es, hebt es auf, trippelt hinaus.
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